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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Veränderungen bedarf. Bernd ist im Grunde ein Rohdiamant, der nur noch ein bisschen geschliffen werden muss. Flo verpasst ihm einen todschicken Haarschnitt à la Brad Pitt und ein paar (wirklich nur ein paar) blonde Highlights.
    »Nein, das sieht nicht tuntig aus.« Was können Männer nerven. Als Nächstes ist der Körper an der Reihe. Bernd ziert sich fast noch mehr als Frau Biergarten, als ich von ihm verlange, sich mir in Unterwäsche zu präsentieren. Von der Unterhose einmal abgesehen, bin ich mit dem Anblick höchst zufrieden. Dank Fußball und der Arbeit
in der Schreinerei hat er einen großartigen Körper und braucht keine Diäten oder Trainingspläne von mir. Nur eine Brusthaar-Epilierung. Ich liefere ihn bei Chantal im Kosmetiksalon ab und ordere Maniküre, Pediküre und Haarentfernung. Hinter Bernds Rücken mache ich ihr ein Zeichen, dass nicht nur die Brust, sondern auch der untere Rücken enthaart werden muss. Ich erinnere mich noch lebhaft an den Pelz, in dem Katrins Hände herumgekrault haben. Bäh!
    »Tschüs und viel Spaß«, sage ich, gebe Bernd einen aufmunternden Klaps und nehme ihm Sockes Leine ab. »Wir holen dich in eineinhalb Stunden wieder ab.« Damit mache ich mich auf den Weg, um schon mal ein bisschen einzukaufen. Erstens, weil das Zeit spart, zweitens, weil Socke ein bisschen Bewegung braucht und drittens, weil ich nicht scharf drauf bin, seine Schreie mit anzuhören. Immerhin ist er mein bester Freund und ich würde vermutlich ein gewisses Mitgefühl verspüren. Aber was sein muss, muss sein. Bei Hennes & Mauritz kaufe ich mehrere enge Boxershorts sowie zehn Paar einfache schwarze Socken. Ich musste nämlich mit Entsetzen feststellen, dass Bernds Strümpfe aus mehr Löchern als Wolle bestehen. Und auch wenn seine großen Zehen nach Chantals Behandlung um einiges appetitlicher aussehen werden als vorher, wird es Leila vermutlich abschrecken, wenn sie ihr aus den Socken vorne entgegenwinken. Zudem ist es ungeheuer praktisch, alle Socken von derselben Marke und in der gleichen Farbe zu kaufen, um die Sockensortiererei nach dem Waschen zu vereinfachen. Im Kopf treffe ich schon mal eine Vorauswahl der Klamotten, die ich Bernd gleich anprobieren lassen werde und dann ist es Zeit, ihn wieder einzusammeln. Ich betrete die hübsche weiß geflieste Eingangshalle des Kosmetikstudios und grüße
Natalie, die hinter der gläsernen Rezeption steht. Sie verzieht das Gesicht auf eine merkwürdige Art und Weise und gestikuliert wild in Richtung der gemütlichen altrosa Sitzecke. Anscheinend will sie mir irgendetwas sagen. Ich zucke verständnislos die Schultern und wende mich in die Richtung, in die sie zeigt. Bernd sitzt auf einem der Sessel und Socke rennt ihm schwanzwedelnd entgegen. Er nimmt sie in die Arme und vergräbt sein Gesicht in ihrem Fell. Dann hebt er den Kopf und starrt mich bitterböse an. Endlich weiß ich, wie ich geguckt habe, als meine Mutter mich vor vierundzwanzig Jahren gegen meinen Willen im Kinderland des Schenefelder Einkaufszentrums zurückgelassen hat, um in Ruhe shoppen gehen zu können. Ich kann nur hoffen, dass Bernd nicht vorhat, jetzt zwei volle Tage kein Wort mehr mit mir zu reden, so wie ich damals. Nein, da kann ich ganz beruhigt sein. Er hat etwas zu sagen, und zwar eine ganze Menge:
    »Das war eindeutig zu viel, Helen«, tobt er los, und ich bin doch ein bisschen erschrocken, dass er mich nicht Lenchen nennt, »du bist ja wohl echt nicht mehr ganz dicht im Kopf.« Mit Leidensmiene berührt er seinen gepeinigten Oberkörper. Gegen meinen Willen muss ich grinsen. »Das ist überhaupt nicht lustig. Ich muss verrückt gewesen sein! Die Tussi hat mir diesen Wachsstreifen direkt über die Brustwarze geklebt. Wie konnte ich mich darauf einlassen, mich von einem dermaßen sadistischen Lu…?«
    »Wegen Leila«, unterbreche ich ihn, bevor er etwas sagt, das ihm hinterher Leid tun könnte. Und tatsächlich bleibt ihm das Wort im Halse stecken. Er schluckt schwer. »Du willst, dass Leila sich in dich verliebt und Brusthaare, glaub mir, sind einfach nicht mehr in.«
    »Nicht mehr in?«, regt er sich auf und entreißt mir die
Hundeleine. »Und wer sagt das dem da oben, damit er uns nicht mehr damit auf die Welt kommen lässt?« Vor meinem inneren Auge erscheint das Bild von Baby-Bernd, der in seinem Kinderbettchen liegt und dem die Brustwolle oben aus dem Strampler herausquillt, aber ich glaube nicht, dass ich diese Vorstellung jetzt mit ihm teilen möchte. Obwohl es schon

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