Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
Vom Netzwerk:
Sünde?«
    Mau wirft Ely einen Blick zu. »Ich war mal in Amsterdam, mit Heather, einer Kollegin. Ich hab sie mitgenommen, weil sie da Verwandte hat, bei denen wir wohnen konnten. Anyway, vor dem Rückflug hab ich ihr die Haare gestylt, mit einem Tuch. Sie war so begeistert, sie sagte, das sei so süß von mir und ich sei ein echter Freund. Ich hatte aber zehn Gramm Kokain in das Tuch gewickelt.« Für Ely, denkt er.
    »Nicht schlecht«, sagt der Fünfte im Bunde, ein aschblonder Amerikaner mit einem monströsen Adamsapfel, der bisher weder viel gesagt noch viel ausgezogen hat.
    »Haben sie sie geschnappt?«
    Mau schüttelt den Kopf. Geschnappt haben sie sie nicht, aber sie hat das Kokain gefunden, als sie, zurück in New York, das Tuch aus dem Haar nahm. Ihren angewiderten Blick, als sie ihm den Stoff vor die Füße warf, kann er sich bis heute lebhaft in Erinnerung rufen. Sie hatte ihn nicht verpfiffen, wollte aber nie mehr etwas mit ihm zu tun haben. Er hatte sie später gesucht, denn einer der zehn Schritte im Programm der Anonymen Alkoholiker war es, seine ehemaligen Opfer um Verzeihung zu bitten. Aber sie war nicht mehr auffindbar.
    Mau dreht die Flasche, holt mit aller Kraft Schwung. Krishna, mach bitte, dass sie nicht wieder bei mir stehen bleibt, denkt er. Als Nächstes wäre das T-Shirt dran, er trägt nur noch drei Kleidungsstücke, T-Shirt, Shorts und eine Hindu-Unterhose, eine Art Mull-Stringtanga, der sicher bei seinen Mitspielern verschärfte Heiterkeit auslösen wird. Krishna erhört Maus Gebet. Die Flasche zeigt auf den Blondierten. Lässig, ohne auch nur den geringsten Anflug von Scham oder Befangenheit zu zeigen, hebt er den Hintern und entledigt sich seiner engen Unterhose,während er mit den anderen abwechselnd Augenkontakt hält, am längsten mit dem tätowierten Rothaarigen, alles mit der Trägheit eines erfahrenen Strippers. Vier Augenpaare hängen gierig an seinem halb erigierten Geschlechtsteil, das sich in einem Meer von blondiertem Schamhaar leicht hin und her bewegt wie der Schwanz eines Hundes in Erwartung der Wurst.
    »Anyway, was ist deine Sünde?«, fragt Mau mit leicht zitternder Stimme.
    »Ich arbeite als Kellner in einem Café am Columbus Circle. Vor einem Monat kam eine Frau zu mir. Stammkundin. Gute Trinkgelder. Aus bestem Hause oder so. Sie bat mich, auszusagen, dass sie an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit da gewesen sei. Ich wusste zwar genau, dass sie an diesem Tag nicht da war, aber sie hat mir fünftausend Bucks gegeben. Cash. Am nächsten Tag habe ich dann in der Zeitung gelesen, dass ihr Mann tot ist. Millionenerbe und so. Eine Woche später waren die Bullen da. Ich bin das Alibi einer Mörderin.«
    Maus leicht geschlitzte Augen weiten sich.
    »Und was für ein schönes«, sagt Ely.
    »Hi«, brüllt jemand. Alien ist aus der Dunkelheit aufgetaucht, mit leuchtenden Raubtieraugen, und schaut sich ungewohnt scheu um. Mau, ohne von Aliens Geschlechterwanderung zu wissen, nimmt an dem androgynen Knaben zum ersten Mal etwas wahr, das er vorher an ihm nie bemerkt hat: die unerweckte Sehnsucht eines nahenden Coming-out.
    »Hier sind eigentlich nur Schwestern zugelassen«, sagt Mau gedehnt. Alien lächelt geheimnisvoll. Ich bin mehr Schwester als ihr alle zusammen, denkt er, zum ersten Mal im Leben stolz auf die in ihm verbliebene unausrottbare Restweiblichkeit.
    »Anyway, setz dich halt her«, sagt Mau und schlägt mit der dicken samtbraunen Hand auf den freien Platz neben sich, erleichtert, dass sich der Flasche nun ein potenzielles Opfer mehr darbietet, neugierig, wie Alien wohl nackt aussieht. Die restlichen Spielteilnehmer sind hin- und hergerissen zwischen Aliens ekelhaften Dreadlocks und seiner ausgesprochen vielversprechenden Figur.
    »Wann warst du denn zum letzten Mal mit deinem Dad zusammen?«, fragt Venus. Das Kind zieht die Schultern hoch, lässt sie fallen, zieht sie hoch, lässt sie fallen.
    »Heute?«, fragt Venus.
    »Hab schon vierzehn Zähne«, sagt das Kind. »Willste sehen?«
    Das Kind fletscht die kleinen weißen Hamsterzähne.
    »Kannst du denn schon so weit zählen?«, fragt Venus.
    Mit immer noch geöffnetem Mund schüttelt das Kind den Kopf.
    »Wie heißt du?«, fragt Venus.
    Abrupt klappt das Kind den Mund zu, als sei ihm eben eingefallen, dass es darin verbotenes Gut schmuggele. »Kavi«, presst es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Venus betrachtet es nachdenklich und stellt im Gesicht des Kindes eine Nase fest, die scharf

Weitere Kostenlose Bücher