Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
Osterhase Schätze versteckte, hatte sie noch nicht erlebt in dem einen Jahr, in dem sie sich dieser Camouflage bediente und zur Kunsthändlerin wurde, die Männer betörte.
Philip Perak war wirklich ein eigener Fall. Viel jünger als die anderen Herrn und viel verrückter. Sicher gefiel es ihm, wenn man seinen ahnungslosen Penis streichelte, doch vor allem wollte er inszenieren. Er hätte zum Theater gehen sollen.
Die Saphirblaue lächelte in den Spiegel hinein.
Das Kleid, das sie für diesen Abend ausgesucht hatte, lag eng auf dem Körper, eine einzige Aufforderung, auch wenn es hochgeschlossen war. Hatte sie diesem Verrückten nicht versprochen, sich das nächste Mal auszuziehen?
Es käme darauf an. Ob er ihr heute auf die Nerven ging. Ob noch Schmuckstücke vorhanden waren. Ob sie Lust hatte, alles in einer großen Show enden zu lassen.
Oder ob sie das Spiel fortführte. Ihr gefiel sein Hang zur Perfektion. Das Präsentative, das er an sich hatte.
Die Saphirblaue steckte ein paar Pülverchen ein. Nur beim ersten Besuch hatte sie eines gebraucht, als er die dummen Finger unter ihren Rock gleiten lassen wollte.
Vermutlich stellte er sich so eine Verführungsszene vor.
Die Saphirblaue lachte und schlüpfte in die hochhackigen Satinschuhe hinein, die den saphirblauen Ton ihres Kleides und den ihrer Augen hatte. Sie stand vor dem Spiegel und sah sich in die blauen Augen und blinkte dabei.
Wie perfekt sie ihre Rolle beherrschte. Gloria.
Nur einmal war sie herausgefallen.
Ihr Gesicht wurde ernst.
Dies war ein Problem und die Lösung nicht angenehm.
Sie stöckelte zur Tür und wäre fast mit einem hohen Absatz in einer Spalte der alten Dielen hängen geblieben, so sehr war sie durch ihre Gedanken abgelenkt.
Erst auf dem Parkplatz fing sie sich wieder, als sie auf den Aston Martin zuging. Ein Abend mit Philip Perak.
Die Saphirblaue war gespannt, wie er ausgehen würde.
Leo hatte sich diesen Abend schon vor Tagen erbeten.
Sie wollte Atem schöpfen. Ihren Körper pflegen.
Harlan zeigte Verständnis, er liebte das Perfekte an ihr.
Leo hatte beinah geweint vor Dankbarkeit, dass Harlan ihr den Abend ließ. So weit war es gekommen mit ihr.
Wenn sie daran dachte, wie oft sie Nick versetzt hatte, ohne sich groß darum zu scheren, dann war es eine Ironie des Schicksals, dass sie diesen Meister gefunden hatte.
Leo lag im blauen Wasser eines Algenbades und dachte daran, Vera anzurufen. Doch sie verwarf es wieder.
Keine Vorwürfe. Keine Inquisition.
Sie wusste selber, dass sie eine Abtrünnige war.
Wenn sie es auch nicht bleiben wollte.
Leo hatte sich eine Frist gesetzt für die Zeit mit Harlan.
Er forderte eine Ausschließlichkeit, die ihr den Atem nahm.
Und doch hatte sie Angst davor, ohne ihn zu sein.
Leo lackierte die Nägel an Händen und Füßen in einem tiefdunklen Rot und konnte kaum das nervöse Zittern unterdrücken, als sie daran dachte, dass es Harlan wenig gefallen würde, wenn ihre Nägel nicht vollkommen waren. Sie ließ den Lack lange trocknen, ölte ihren Körper ein und zog einen dicken Schlafanzug an.
Um zehn legte sie sich ins Bett.
Das war die Zeit, zu der Harlan unruhig wurde. Erst dann begann der Abend für ihn, und sie musste mit ihm um die Häuser ziehen und Lesungen hören und an Happenings teilnehmen und kleine schwarze Filme ansehen.
Er war ein Nachtmensch, und wenn sie einschlief nach endlosem Sex, dann ging er auch ohne sie davon.
Leo hatte sich daran gewöhnt. Sie erschrak nicht mehr, allein im großen Loft zu sein. Mit ein paar edlen Möbeln und einem hohen Regal voller Gedichtbände und einem verschlossenen Schrank.
Eines Nachts hatte sie geträumt, dass sich die Türen öffneten und ein anderer Harlan aus dem Schrank käme.
Ein kleinerer, kindlich und hilflos.
Der auf ihren Schoß kroch und sich an sie klammerte.
Leo stand noch einmal auf, um in die Küche zu gehen und ein Glas Leberwurst zu öffnen, das ihr Vater geschickt hatte.
Sie suchte nach Brot. Doch sie hatte nicht eingekauft.
Leo holte einen Löffel aus der Schublade und kehrte ins Bett zurück. Aß das halbe Glas leer. Ihr wurde nicht mal schlecht.
Sie nahm das Buch, das auf ihrem Nachttisch bereit lag.
Eine Biographie von Oprah Wimprey. Das war ihre Welt.
Morgen Abend würde sie wieder eine andere sein.
Harlans Lustobjekt. Harlans Schöne. War sie ihm hörig?
Sie hatte eine Grenze überschreiten wollen.
Das war ihr gelungen.
Philip Perak sah nicht aus wie Merlin, der zu Betörende.
Der
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