Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
bereits bei unserem allerersten
Zusammentreffen über Rasmus hergezogen war. Augenblicklich verflüchtigte sich
meine Nachsicht, und ich reckte trotzig das Kinn vor.
„Ja,
und?“, fragte ich und war ziemlich zufrieden mit meinem spitzen Tonfall.
Eric
trat noch einen Schritt auf mich zu und verzog dabei abschätzig den Mund. „Ich
finde das äußerst fragwürdig“, bemerkte er.
„Und
ich finde deine Frisur fragwürdig“, ließ sich plötzlich Jinxy neben mir
vernehmen. Während Eric besorgt nach seinen aschblonden Haaren griff, hakte sie
sich bei mir ein und zerrte mich mit sich.
„Willkommen
zurück – und danke“, sagte ich erleichtert, sobald wir um die Ecke gebogen
waren, „das war gerade wirklich peinlich.“
„ Du bist wirklich peinlich!“, rief sie aus und ließ mich los. „Du und der
Klopapiermann? Ernsthaft? Schon wieder?“
„Was
für ein Klopapiermann?“, mischte sich Sam ein, der gerade aus einem Klassenraum
geschlendert kam. Er stellte sich neben Jinxy, und beide starrten mich an. Wie
angenehm.
„Hört
mal, Leute“, sagte ich ein bisschen bockig, „ich habe jetzt keine Lust, über
mich und Rasmus zu reden.“
„Ach
so“, murmelte Sam in sich hinein, „ der Klopapier…“
„Das
halte ich ja im Kopf nicht aus!“, stöhnte Jinxy dazwischen. „Wie oft warst du
jetzt schon gekränkt oder erschrocken wegen seines Verhaltens und wolltest
nichts mehr mit ihm zu tun haben?“
„Ich
habe da auch irgendwie den Überblick verloren“, warf Sam verbittert ein.
„Ja,
ehrlich, Lily – ihr liefert allmählich genug Material für eine Telenovela!“
„Ihr
versteht das nicht“, versuchte ich die beiden zu beschwichtigen. „Als ich
gestern bei ihm übernachtet habe, hat er mir Dinge über sich erzählt …“ Ich
brach ab, während ich die Emotionen von den Gesichtern meiner Freunde abzulesen
versuchte. Nein, es war unmöglich – ich konnte es ihnen nicht anvertrauen. Sam
sah immer noch entsetzt aus, und Jinxy machte den Eindruck, als wollte sie
gleich einen Psychologen kontaktieren; und das, bevor ich überhaupt auf Engel
zu sprechen gekommen war.
„Dinge?“, hakte
sie jetzt nach, und ihre Nase kräuselte sich, als ich immer noch zögerte.
„Meinst du so etwas wie seine geheimsten Fantasien …?“
„Oh
Jinxy, ich bitte dich!“, rief ich schnell. „Nein, ich meine einfach, dass er
sich endlich geöffnet hat. Er hat mir vorher ja nie von seiner Vergangenheit
erzählt, aber jetzt scheint er mir zu vertrauen, und … es ist jetzt alles
anders.“
„Alles
ist anders, ja? Entschuldigt er sich von jetzt an mit einem herzlichen Pardon,
nachdem er sich mit anderen geprügelt oder dich in der Schule zur Schnecke
gemacht hat?“
„So
weit wird es gar nicht mehr kommen“, sagte ich fest. Jinxy schüttelte noch
einmal den Kopf, dann hakte sie sich wieder bei mir ein.
„Na
schön, du musst es ja wissen. Falls er sich wieder als Grottenolm erweisen
sollte – du weißt, ich liebe dich innig und stehe immer hinter dir.“ Sie schob
ihren anderen Arm unter Sams Ellbogen und lotste uns in Richtung Cafeteria.
„Ich“,
begann Sam und räusperte sich, „stehe auch hinter dir.“
Und
ich für meinen Teil hoffte, dass Mousse au chocolat auf dem Menüplan stand, was
Jinxys gemeines kleines Kichern zum Verstummen bringen würde. Dieser Tag setzte
sich entschieden anstrengender fort, als er begonnen hatte.
Kaum
dass ich nach Unterrichtsschluss aus dem Schultor getreten war, stand Rasmus
auch schon neben mir. Sein gespielt vorwurfsvoller Gesichtsausdruck konnte nur
schlecht seine Belustigung verbergen, als er bemerkte: „Du gehst mir ja wieder
aus dem Weg. Ich dachte wirklich, diese Phase hätten wir hinter uns.“
„Pah“,
brach es wütend aus mir hervor, „du weißt doch genau, warum. Das in Englisch
war unglaublich fies.“
Rasmus
riss überrascht die Augen auf. „Tatsächlich? Und dabei so nett gemeint.“
Ich
suchte nach einer schlagfertigen Antwort und brummte schließlich nur:
„Jedenfalls gehört es nicht hierher.“
„Da
hast du wohl Recht. Und jetzt zu einem ganz anderen, gar nicht verwandten
Thema: Hast du heute Nachmittag Zeit? Kann ich später bei dir vorbeikommen?“
„Meine
Eltern sind nicht da.“
„Ähm“,
machte Rasmus gedehnt und kratzte sich im Nacken, „tja, das ist natürlich
schade.“
Ich
musste lachen. „Nein, ich meine, was sollen die Nachbarn denken, wenn in der
Abwesenheit meiner Eltern fremde Männer durch meine Tür ein und aus
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