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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Jinxy den Fund in meiner Küche zu verschweigen,
um sie nicht unnötig aufzuregen, war eine Sache, aber wirklich zu lügen, um
Rasmus in Schutz zu nehmen, eine ganz andere.
    „Erde
an Lily“, trompetete mir Jinxy ins Ohr. „Du musst dich für eine Bastelarbeit
entscheiden, Eric und ich können uns nicht einigen!“
    Ergeben
löste ich mich vom Türrahmen und machte einen kleinen Streifzug durch den Saal.
Ich beschloss, es zunächst mit etwas Einfacherem zu versuchen, und ging eilig
an der Station vorbei, wo für einen verwunschenen Wald Bäume auf Papierplanen
gemalt und gigantische Pilze aus Pappmaché angefertigt wurden. Auch die
Konstruktion des Schicksalsberges aus Herr der Ringe erschien mir nicht
unbedingt verlockend, da ich nicht wusste, wie die zuständigen Schüler die
Flammen hinkriegen wollten. Schließlich ertappte die Zeichenlehrerin Eric,
Jinxy und mich bei unserer Untätigkeit und verdonnerte uns zum Bau einer
Burgruine. Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit, riesige
Kartonstücke zu einer Fassade zusammenzufügen; als es jedoch ans Malen ging,
gab mir meine Freundin höflich zu verstehen, dass ich nicht mehr erwünscht war.
    „Nicht
böse sein, aber ich habe die Karten gesehen, die du letzte Weihnachten
gestaltet hast … und allmählich wächst mir diese Ruine ans Herz“, erklärte
Jinxy entschuldigend. „Du könntest aber Fledermäuse zum Aufhängen basteln,
davon brauchen wir jede Menge.“
    Ich
kam mir zwar ein bisschen wie ein Kind vor, das seiner Mutter zum ersten Mal
beim Kochen helfen durfte, aber wenigstens überforderte es mich nicht,
schwarzen Filz zurechtzuschneiden, mit Watte zu füllen und zuzunähen. Zum
Schluss malte ich noch mit weißer Farbe riesige, gruselige Augen auf, dann
betrachtete ich mein Werk mit überraschender Zufriedenheit.
    „Na,
wie sieht das aus?“, fragte ich und ließ eine der Fledermäuse an einem
durchsichtigen Faden vor Jinxys Nase tanzen.
    „Sehr
nett“, lobt sie und pinselte schwungvoll eine Efeuranke auf einen Erker der
Kartonburg, „erinnert mich stark an den Kater aus Shrek , wenn der so
niedlich guckt.“
    Frustriert
ließ ich den ganzen Schwung Fledermäuse in den Papierkorb flattern und fertigte
leise vor mich hin fluchend neue an. Wenn das so weiterging, würde ich nicht
vor Mitternacht hier wegkommen – was allerdings gar nicht so schlecht wäre.
Schließlich versuchte ich immer noch den Gedanken daran zu verdrängen, dass mir
eine weitere einsame Nacht in einem Haus voller Geräusche bevorstand. Diesmal
zeichnete ich jeder Fledermaus ein offenes Maul mit nach unten zeigenden
Mundwinkeln und kleinen, nadelspitzen Zähnchen.
    „Zufrieden?“,
fragte ich herausfordernd.
    „Oh,
schon viel besser“, beteuerte Jinxy. „Jetzt sehen die Viecher ziemlich
bekümmert aus, oder besorgt.“
    „Tatsächlich
sehen sie dir recht ähnlich“, bemerkte Eric, der gerade ein letztes Mal Hand an
die Zugbrücke legte, und ich bemerkte im selben Moment, dass ich ihn nicht
sonderlich gut leiden konnte.
    „Du
darfst sie ruhig so lassen“, versicherte mir meine Freundin. „Sie sind gar
nicht so schlimm, wir hängen sie dann eben …“ Ihre Hand wedelte irgendwo in
Richtung einer finsteren Ecke hinter der Pappkartonruine.
    „Nein,
ich krieg das hin“, antwortete ich verbissen und schnappte mir zum dritten Mal
die Schablone.
    „Wie
du meinst“, sagte Jinxy achselzuckend, „aber ich gehe schon mal die Pinsel
auswaschen. Meine Mutter kommt mich jeden Augenblick mit dem Auto abholen, wir
feiern heute Abend nämlich den Geburtstag meiner Omi.“
    Kurz
darauf überließ mich auch Eric meinem Schicksal, und allmählich begann sich der
Zeichensaal zu leeren. Als ich schließlich meine Arbeit mit schmerzendem Rücken
und zerstochenen Fingern beendete, waren die übriggebliebenen Schüler schon
dabei, ihre Bastelutensilien wegzuräumen. Ich hatte den Fledermäusen nun dicke,
schrägstehende Augenbrauen aufgemalt; zwar wusste ich nicht viel über die
Gesichtsbehaarung solcher Tiere, aber immerhin verliehen sie ihnen ein
bedrohliches Aussehen. Nachdem ich meine Kunstwerke an Schnüren zum Trocknen
aufgehängt hatte, wusch ich mir sorgfältig die Farbspritzer von den Händen, bis
ich bemerkte, dass die Zeichenprofessorin direkt hinter mir stand und mit der
Fußspitze auf den Boden klopfte. Überrascht stellte ich fest, dass alle anderen
Schüler den Saal bereits verlassen hatten, und weil ich mir ziemlich sicher
war, dass das ungeduldige

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