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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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immer gut aufgelegter Mann im Alter von siebzig Jahren, der zu einer Gruppe kalifornischer Anarchisten gehört hatte. Oben hatte er als Computer-Techniker gearbeitet, aber sein Hobby war schon immer die Medizin gewesen, und so hatte er sich in den letzten Jahren immer mehr als ein wertvoller Helfer für Doc Quesada qualifiziert. Er begrüßte Barrett mit dem ihm eigenen freundlichen Lächeln.
    »Ist Quesada da?« fragte Barrett.
    »Nein, er ist bei den Expeditionsvorbereitungen und gibt den Leuten ein paar medizinische Hinweise. Aber wenn es wichtig ist, hole ich ihn natürlich …«
    »Nein, danke, das ist nicht nötig. Ich wollte mit ihm nur einmal unseren Medikamentenbestand prüfen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mal schnell nachsehe?«
    »Du kannst hier tun, was du willst.«
    Hansen trat zur Seite und ließ Barrett hinein. Die Alarmanlage war abgeschaltet. Da es keine Möglichkeit gab, das Medikamentenlager abzuschließen, hatten Barrett und Quesada ein ausgeklügeltes Warnsystem ausgetüftelt, das ganz sicher anschlug, wenn jemand sich an diesem Gebäude zu schaffen machte. Jeder unbefugte Eindringling würde es todsicher auslösen. Das war die einzige Möglichkeit, die Arzneimittelvorräte gegen Mißbrauch zu schützen, denn es kam vor, daß verrückte Lagerinsassen versuchten, an gewisse Drogen heranzukommen. Wenn jemand Selbstmord begehen wollte, so argumentierte Barrett, sollte er ins Meer springen, aber nicht dazu die wertvollen Medikamente verschwenden.
    Barrett betrachtete das Regal, auf dem die Medikamente aufbewahrt wurden. Es war natürlich eine unausgewogene Zusammenstellung, da von Oben nur sehr sporadisch und völlig willkürlich solche Dinge geschickt wurden.
    Barrett fiel auf, daß zur Zeit Schmerzmittel und Antibiotika besonders knapp waren, während er ausreichend Beruhigungs- und Abführmittel entdecken konnte. Barrett, der Mann, der mitgeholfen hatte, diese Dinge vor unerlaubtem Zugriff zu schützen, beging jetzt selbst einen Diebstahl. Als Hansen ihm einen Augenblick den Rücken zuwandte, ließ er ein Schmerzmittel in der Tasche verschwinden.
    Er benutzte diese Mittel seit längerer Zeit, um die quälenden Schmerzen in seinem Bein zu betäuben – sehr zum Unwillen von Doc Quesada, der ihm immer wieder vorhielt, daß er eine Sucht entwickle. Sucht hin. Sucht her, dachte Barrett. Sollte doch der Doc erst einmal mit einem zerquetschten Fuß herumlaufen, dann würde er anders reden.
    Barrett setzte seinen Abstieg zum Meer hinunter fort. Als er ein paar hundert Meter vom Lager entfernt war, injizierte er sich schnell die beiden Ampullen in jeweils einen Oberschenkel. Mit Hilfe dieses schmerzbetäubenden Mittels würde es ihm möglich sein, einen längeren Ausflug zu machen, ohne bei jedem Schritt höllische Schmerzen in den Gelenken zu spüren. Allerdings würde er dafür bezahlen müssen, wenn in etwa acht Stunden die Wirkung nachließ, das wußte er. Dann würde der Schmerz mit zehnfacher Stärke zurückkehren, aber Barrett war bereit, diesen Preis zu zahlen.
    Der Weg hinunter zur See war lang und einsam. Vor zehn Jahren waren die Bewohner des Lagers noch über gefährliche Felshänge hinuntergeklettert, bis Barrett vorgeschlagen hatte, eine Treppe zu bauen. Seitdem konnte man auf den ungefügten Stufen, die an allen gefährlichen Stellen in den Fels gehauen worden waren, verhältnismäßig leicht ans Wasser gelangen. Diese Arbeit hatte fast zehn Jahre gedauert, und sie hatte nicht nur einen sicheren Weg geschaffen, sondern auch die, die daran arbeiteten, davon abgehalten, zuviel an das Oben, an ihre Angehörigen zu denken und schließlich verrückt zu werden. Barrett überlegte schon seit längerem, welche langfristige Aufgabe er den Männern noch stellen konnte, aber ihm fiel nichts ein.
     
    Trotz der Stufen im Gestein war der Serpentinenweg hinab zum Wasser für einen gesunden Menschen schon anstrengend, und die schnellste Zeit bis zum Meer war bisher dreißig Minuten gewesen. Barrett mit seiner Verletzung benötigte über zwei Stunden für den Weg.
    Als er schließlich das felsige Ufer erreicht hatte, sank er erschöpft zusammen und ließ seine Krücke fallen. Die Finger seiner linken Hand waren verkrampft, und er schwitzte am ganzen Körper.
    Das Wasser des Ozeans sah grau und irgendwie ölig aus. Barrett konnte sich die völlige Farblosigkeit dieser Welt nicht erklären, und im geheimen sehnte er sich nach einem – wenn auch nur kleinen – Flecken grüner Vegetation. Er vermißte das

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