Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Chlorophyll.
    So weit er sehen konnte, erstreckte sich der Ozean, und Barrett hatte keine Ahnung, ob Europa sich bereits aus dem Wasser erhoben hatte oder die anderen Kontinente. Zu dieser Zeit der Entstehung der Welt lag das meiste Land noch unter Wasser.
    Ob es den Himalaja schon gab, die Rocky Mountains, die Anden? Barrett kannte den ungefähren Verlauf Nordamerikas zur Zeit des Spätkambriums, aber alles andere lag für ihn im dunkeln. Seine Wissenslücken auf diesem Gebiet waren einfach nicht zu füllen, wenn die Verbindung nach Oben nur einseitig funktionierte – die Männer mußten sich auf die sporadischen und unsystematischen Bücherlieferungen von Oben verlassen, und es war frustrierend zu wissen, daß Oben die Informationen in Auflagen von Hunderttausenden vorhanden waren, die hier dringend fehlten.
    Während er auf das Wasser starrte, sah er plötzlich, wie ein Trilobit sich aus den Wellen schob. Er gehörte zu einer spitzschwänzigen Gattung, war etwa dreißig Zentimeter lang und hatte eine eiförmige, purpurfarbene Schale. An den Seiten befanden sich ein paar Fortbewegungsorgane. Der Trilobit krabbelte aufs Land, bis er etwa einen Meter vom Wasser entfernt war.
    Hallo, dachte Barrett. Vielleicht bist du der erste, der an Land gekrochen ist, um sich einmal umzusehen. Der Pionier, der Bahnbrecher.
    Er dachte kurz daran, daß dieser abenteuerlustige Trilobit vielleicht der Urahn aller Landbewohner der Erde war. Das war natürlich biologischer Unsinn, aber Barrett sah plötzlich vor sich eine lange Kette evolutionärer Entwicklung, von Fischen und Amphibien und Reptilien und Säugetiere bis zum Menschen, die alle von diesem grotesken Urtier abstammten, das hier zu seinen Füßen herumkrabbelte.
    Was, wenn ich dich jetzt zerträte? dachte er.
    Eine schnelle Bewegung, ein knirschendes Geräusch zerbrechenden Chitins, ein verzweifeltes Zappeln der dünnen Beinchen …
    Und mit einem brutalen Fußtritt wäre die gesamte Evolutionskette zerstört, die Zukunft wäre verändert. Es gäbe keine menschliche Rasse, kein Hawksbill-Lager, keinen James Edwart Barrett. In einem winzigen Augenblick hätte er sich gerächt an denen, die ihn zu diesem Leben verdammt hatten, und gleichzeitig ein grausames Schicksal beendet.
    Barrett tat nichts. Der Trilobit beendete seinen kurzen Ausflug unbehelligt und kehrte wieder in sein vertrautes Element zurück.
    In diesem Augenblick sagte eine leise Stimme hinter ihm: »Ich sah dich hier unten sitzen, Jim. Darf ich dir etwas Gesellschaft leisten?«
    Barrett fuhr herum und holte erschrocken Luft. Don Latimer hatte sich so leise genähert, daß er nichts gehört hatte. Dann aber grinste Barrett und deutete neben sich auf den Boden.
    »Angelst du?« fragte Latimer.
    »Nein, ich sitze einfach hier; ein alter Mann, der sich sonnt.«
    »Du hast die Tour hierher nur gemacht, um dich zu sonnen?« lachte Latimer. »Komm, das glaubt dir doch keiner. Sicherlich wolltest du einmal weg von allem, allein sein. Und ich habe dich dabei gestört. Wenn du nur aus Höflichkeit meine Gesellschaft erträgst, gehe ich sofort wieder …«
    »Nein, bleib. Wir unterhalten uns ein wenig.«
    »Wirklich, Jim, wenn du lieber allein sein willst, gehe ich.«
    »Nein, bitte bleib. Ich wollte sowieso mit dir sprechen. Wie geht’s deinem neuen Mitbewohner, Hahn?«
    Latimer runzelte die Stirn. »Das ist der eigentliche Grund, warum ich dir hierher gefolgt bin.« Latimer lehnte sich vor und sah Barrett eindringlich an. »Jim, sag mir eines: Glaubst du auch, daß ich verrückt bin?«
    »Warum sollte ich das?«
    »Wegen meiner ESP-Experimente, meiner Versuche, in eine andere Dimension zu entkommen. Ich weiß, daß du skeptisch gegenüber allem bist, das man nicht sehen, anfassen oder messen kann, und daher glaubst du vielleicht auch, daß ich da einen schönen Unsinn treibe.«
    Barrett zuckte die Schultern. »Um ganz ehrlich zu sein: ja. Ich glaube nicht im geringsten daran, daß du uns weiterhelfen wirst, Don. Du kannst mich einen Materialisten nennen, und ich gebe auch zu, daß ich mich nicht sehr damit beschäftigt habe, aber mir kommt das alles wie Schwarze Magie vor. Ich habe auch noch nie gehört, daß solche Versuche zu einem Erfolg geführt hätten. Ich glaube, daß es Zeitverschwendung ist, stundenlang herumzusitzen und sich auf angebliche psionische Kräfte zu konzentrieren. Deshalb meine ich noch nicht, daß du unbedingt verrückt bist. Auch du hast ein Recht auf eine Leidenschaft, und ich meine, daß du sie

Weitere Kostenlose Bücher