Verborgen
grün glasierten Krug. Der letzte Würfel blieb ihm am Finger kleben; er zischelte wütend und löste ihn ab, hörte nicht länger hin, war das Lauschen schon leid, wollte wieder bei ihnen sein.
»Lieber nicht noch mal nach Gythion.«
»Wieso nicht? Ist doch keine üble Idee, sich ein Wochenende am Meer zu verlustieren.«
»Bloß dass du niemanden hast, mit dem du dich verlustieren kannst.«
»Außer sich selber.«
»Da sind um die Zeit schon Touristen, mit denen gibt’s immer was zu lachen.«
Jetzt glitt Jasons Blick sicher über den Platz. Er hatte sich in der Woche zuvor den Bart abrasiert. Die Stoppeln waren schon wieder nachgewachsen, sie ließen ihn hohlwangig wirken, weniger clownesk – ausgehungerter, vielleicht auch bedrohlicher: ein verjüngter Tom Waits oder Jack Nicholson, ein brunftiges Raubtier, ein cracksüchtiger Kettensägenkiller.
»Wir haben Verpflichtungen hier.«
»Die laufen uns nicht weg.«
»Irgendwer muss sich drum kümmern.«
»Ja, klar. Das ließe sich heute Abend noch erledigen.«
»Wir könnten paddeln gehen.«
»Nacktbaden.«
Natsuko seufzte und verschob ihren Stuhl. »Wir könnten schwimmen gehen.«
»Diese Warterei. Ich bin’s so leid.«
»Dauert jetzt doch nicht mehr lange.«
»Ach ja?«
»Es muss bald passieren, so oder so. Ostern steht vor der Tür.«
Schweigen. Eine Lücke, in der Ben merkte, dass er den Faden verloren hatte. Irgendwas musste er überhört oder falsch verstanden haben; dann sprach wieder Eberhard, reserviert, auf der Hut. Als er von fern seinen Namen hörte, blieb er stocksteif in der Küchentür stehen.
»Und Ben?«
»Geh mir weg mit Ben.«
»Der regt sich bloß auf.«
»Er ist ein Klotz am Bein.«
»Ach, komm schon. Dafür kann er nichts.«
»Er weiß von nichts.«
»Und wenn, wem sollte er davon erzählen?«
»Du magst ihn nicht besonders, stimmt’s, Max?«
»Ich traue ihm nicht.«
»Du traust niemandem.«
»Er mag uns.«
»Er liebt dich. Bist ein Glückspilz, Mädel.«
»Und deshalb würde er nie was gegen uns sagen.«
»Eb hat recht. Nehmen wir ihn mit.«
»So oder so, mir ist es egal, ich will bloß das Meer sehen. Und Sand. Fahren wir irgendwohin, wo’s Sand gibt, okay? Ich hab die Schnauze voll von Dreck und Steinen und von der Warterei.«
»Also dann nach Pylos.«
»Gythion ist näher.«
»Noch mal nach Gythion geht nicht.«
»Es wäre vernünftiger, nirgendwohin zu fahren… aber Eberhard hat recht. Wenn schon, dann Pylos, das ist sicherer.«
» Zu der sandigen Pylos! Wie in den Geschichten«, sagte Eleschen, so rundheraus entzückt, dass es, als er sich wieder zu ihnen gesellte, beschlossene Sache war.
Sie fuhren über den Langada-Pass, mit dem ersten Licht im Rücken durch die Schlucht hinauf, vorbei an Felsblöcken und Geröllfeldern, gesäumt von hoch aufragenden Gipfeln, dann auf der anderen Seite hinunter zurück in die Nacht: Dunkelheit verschanzt unter den Kiefern, kein Schimmer von Morgenröte in Artemisia. Die Sonne holte sie erst bei den Haarnadelkurven abwärts zu den staubiggrünen Obsthainen der Ebene von Messenien wieder ein.
Um acht waren sie in Kalamata, wo der Verkehr in den verstopften Hauptstraßen nach und nach zum Erliegen kam, erst Natsukos und dann beide Autos stecken blieben, eingekeilt zwischen Rauchwolken spuckenden Fernlastzügen, Busse umrundenden Radfahrern und offenen Transportern, beladen mit Wassermelonen, turmhoch gestapelten, schwankenden Hühnerkörben, Brot, Fiberglas und Eis. Dann hatten sie es geschafft, und der Himmel vor ihnen schimmerte schon hell wie Perlmutt, als ginge er gleich hinter dem Horizont ins Meer über.
Beim Flugplatz machten sie einen Fahrerwechsel; Ben übernahm das Steuer von Natsuko, während Jason sich um Sylvia kümmerte. Mit stierem Blick, vor Durst schon halb im Delirium, ließ sich die Hündin mit Wasser aus der Flasche volllaufen und nahm dann unverfroren Reißaus in das gewaltige Kalmusröhricht neben der Straße. Bis sie glücklich wieder ins Auto gelockt war, hatten die anderen einen ordentlichen Vorsprung, aber es gab nur die eine Straße, und er fuhr schnell, überholte Traktoren und Wochenendurlauber, bis der Volvo in Sicht kam, ein kleiner silberner Flitzer zwischen grünen Böschungen.
Hinter Messini machte die Straße einen Schwenk nach Südwesten. Jason zappte sich durch die Radiokanäle, auf der Suche nach Polizeifunkfrequenzen. Natsuko schaute hinaus, Schatten legten sich auf ihr Gesicht. Die Hündin schlief mit weit offenem
Weitere Kostenlose Bücher