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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Gefühl als Gedanke.
    »Und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. Wo bist du?«
    »In Sparta.«
    »In Sparta ?«
    Jetzt lächelte er. Er war müde, aber er grinste im Dunkeln. Triumphierend.
    »Sparta, du weißt schon. Die Ränkeschmiede. Helena und Menelaos…«
    »Ich weiß, was Sparta ist, Ben! Was machst du denn da?«
    »Löcher graben. Ich hab Arbeit gefunden. Hier gibt’s eine Ausgrabung. Es steht alles in meinem Brief. Es läuft gut, glaube ich. Wir sind elf Leute. Es ist nur körperliche Arbeit, aber es macht Spaß. Wusstest du, dass Sparta schön ist? Ich weiß nicht, warum ich nicht schon früher mal hier war. Die haben mich in so einem großen alten Hotel untergebracht, ich glaube, es würde dir gefallen…«
    Er wartete darauf, dass sie etwas sagte. In der Leitung war es still geworden. Er schloss die Augen und stellte fest, dass er sie noch hören konnte, sie atmete und horchte. Aber da waren auch noch andere Geräusche. Das Zischen von starkem Verkehr, draußen auf Oxfords nassen Straßen.
    Er fröstelte, die Stadt, die er hinter sich gelassen hatte, war ihm auf einmal viel zu nahe. Der tief hängende graue Himmel. Die kalte, klare Luft.
    »Ben?«
    »Ja?«
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Mir geht’s gut, warum?«
    »Du klingst komisch.«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Doch. Wenn du so redest, klingst du komisch. Anders, meine ich.«
    Eine Sekunde lang sagte er nichts. Er merkte, dass er wütend auf sie wurde, als ob sie seinen gesunden Menschenverstand in Frage stellte. Oder seine Überzeugung.
    »Ben …«
    »Ich sag doch, mir geht’s gut. Ich bin anders, weil ich hier glücklich bin.«
    »Aha. Na dann. Freut mich für dich.«
    »Es klingt aber nicht so.«
    »Doch, es freut mich.«
    Aber das stimmte nicht, dachte er. In Wahrheit klang sie enttäuscht. Neidisch. Als hätte sie sich etwas anderes für ihn erhofft als Glück. Oder von ihm.
    Erst nachdem er aufgelegt hatte, an der Schwelle zum Einschlafen, fiel ihm ein, dass er Eberhard mit keinem Wort erwähnt hatte.
     
Der Sonntag überraschte ihn.
    »Hier ist jemand für Sie«, sagte Sudoku, als handle es sich um einen unangenehmen Menschen und Ben sei schuld daran. Es war schon acht vorbei, und er lag immer noch im Bett, träumte immer noch halb von der Grube.
    »Wer ist es?«
    »Woher soll ich das wissen?«, maulte Sudoku. »Soll ich sagen, dass Sie herunterkommen?«
    Er zog sich an, setzte Wasser auf, verbrannte sich den Mund und stellte fest, dass seine Schuhe weg waren. In seinem Kopf jagte eine Hoffnung die andere.
    Plötzlich merkte er, dass er am Fenster stand – sein morgendliches Ritual forderte sein Recht. Sparta stand an erster Stelle, als wäre das alles, wonach er suchte. Auf den Bergen schon heller Morgen. Kleider wie bunte Wimpel auf den Balkonen. Der Swimmingpool unbeirrt, seine Bahnen so gerade wie Linien auf Papier. Er dachte an Natsuko, wie sie, aaldunkel, manchmal im tiefen Wasser pausierte, um Atem zu holen, und dabei wurde ihm klar, dass er vor allem auf sie hoffte.
    Der Lift war kaputt, und er nahm die Treppe. Ein seltsames Geräusch kam den Schacht herauf, ein hartnäckiges, hässliches Mahlen wie das Knirschen von Zähnen oder zahnlosen Zahnrädern, und als er in der Lobby ankam, sah er Chrystos in Hemdsärmeln, deplatziert im Marmor und Messing des Hotels, ein großer Mann in einem zu kleinen Sessel, ungerührt den Blicken Sudokus und des Kakadus trotzend, seine Mütze zusammengefaltet neben sich auf dem Sofa.
    Zwischen den Knien hielt er eine Kelle und eine Bastardfeile. Er schärfte die Kelle mit langen Schüben der Feile, wie ein Junge, der eine Elfenbeinschnitzerei glättet. Er hielt beide Werkzeuge hoch, als Ben vor ihm stand.
    »Eine perfekte Spitze.«
    »Chrystos? Es ist Sonntag.«
    »Ah. Keine Löcher heute.«
    »Also, Sie … Wir arbeiten heute nicht woanders, oder?«
    »Nein. Hier«, sagte er – sein Englisch war genauso stockend wie Bens Griechisch, und er stand auf, legte beide Werkzeuge auf einen Tisch und zeigte darauf. »Für Sie. Bitte nehmen. «
    »Geschenke«, sagte er und nahm sie – sie wogen schwer in seinen Händen.
    »Andenken, wenn Sie gehen.«
    »Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.«
    »Die Kelle ist sehr gut. Stahl aus Marshalltown. Aus Iowa in Amerika. Nicht wie die billigen Sachen, die sie einem leihen. Mit der da ist das Graben nicht so schwer. Halten Sie sie scharf, wie eine Säge. Also wir gehen jetzt dann?«
    »Gehen wohin?«
    »Besichtigungstour

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