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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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der kitschigen Eleganz der neu/alten Möbel aus dem zwanzigsten Jahrhundert.
    Das alles dachte er, und als Antwort hatte er sicher nichts gesagt, was der Erinnerung wert gewesen wäre.
    »Emine hat sie gekauft. Im Garten wächst ja nicht viel in dieser Jahreszeit.«
    Foyt hatte an ihm vorbei den Arm nach einer Vase mit Pfingstrosen ausgestreckt und die schon welkenden Blüten mit den Fingerspitzen angehoben. Sie standen nebeneinander an den Glastüren. Es war warm in dem lang gestreckten Raum, die Heizung lief auf Hochtouren. Der Professor stand so dicht bei ihm, dass er seinen Geruch wahrnahm – wie süßer Essig.
    »Emine arrangiert sie selbst. Nicht ganz mein Geschmack, aber nun ja. Sie hat eine ausgeprägte Abneigung gegen jede Förmlichkeit, nicht wahr? Ungewöhnlich bei Angehörigen der katholischen Konfession …«
    »Ist sie hier?«, fragte er, und Foyt schaute ihn offenkundig überrascht an.
    »Natürlich. Sie kommt nachher herunter.«
    Er schaute zur Diele. Durch die Türöffnung konnte er die erste Windung der Treppe sehen. »Und Vanessa?«
    »In Morpheus’ Armen.«
    »Ich würde gern beide sehen.«
    »Ja. Es muss schwer für Sie sein. Ist Ihnen zu warm?«
    »Nein, es geht schon.«
    »Möchten Sie den Garten sehen? Die Winterlinge …«
    »Nein.«
    »Nein, Sie mögen keine Blumen, stimmt’s? Emine hat’s mir gesagt. Dumm von mir. Dann vielleicht einen Drink?«
    Er nahm zwei Gläser Wein von einem vorbeikommenden Tablett und verschüttete ein wenig, als er eines davon Ben gab. »Entschuldigung. So, also. Worauf sollen wir trinken?«
    »Ist mir egal. Sagen Sie’s.«
    Er sah gut aus, war aber klein, so dass er den Kopf heben musste, um Ben in die Augen zu schauen. Seine Stimme klang schüchtern, und sein Hals war mager. Eine graue Ader pulsierte dort.
    »Na gut. Auf Emine. Ich möchte, dass wir auf Emine trinken. «
    Es liegt nicht an mir. Es liegt an dir.
    Als ob die ein Trost wären, dachte er manchmal von all den anderen Sachen, die sie gemeint haben könnte.
    Da war einmal das Geld gewesen. Manchen hätte das schon Grund genug sein können. Emine liebte das Geld, sie war daran gewöhnt, bewegte sich in Milieus, in denen man Geld hatte. Und er hatte keines. Schon vor der Eheschließung hatten sie beide von ihrem Geld gelebt. Ihre Familie besaß eine Reederei mit Schiffen in Marseille, Algier und Istanbul – eine alteingesessene Firma, die im Lauf von fünf Menschenaltern ein großes Vermögen angesammelt hatte. Emines Vater hatte Ben sympathisch gefunden, aber Freunde von ihr, das wusste er, hatten hinter seinem Rücken verbreitet, er lasse sich von ihr aushalten. In dieser Hinsicht waren sie nie ebenbürtige Partner gewesen, wobei allerdings von Anfang an festgestanden hatte, dass er solche Gleichheit nie erreichen würde. Und sie hatten es beide so gewollt: Falls er sie benutzte, ließ sie es sich gefallen. Er hatte sogar geargwöhnt, dass ihr das gefiel. Die Macht, die sie dadurch über ihn hatte, und der Hunger seines Mangels. Der zusätzliche Kick dieses Verlangens.
    Dann ihr Glaube, oder sein nicht vorhandener Glaube. Er war nicht in einem kirchlichen Milieu aufgewachsen und hatte nie den geringsten Grund gehabt, der Religion zu misstrauen. Aber er hatte eigentlich auch nie an irgendetwas geglaubt. Ihr Glaube war viel stärker gewesen als sein Unglaube, und er hatte sich mit dem Katholizismus arrangiert, so gut er konnte; hatte sich taufen lassen, weil es ihm nichts, ihr aber alles bedeutete. Das war natürlich ein Fehler gewesen. Viel schwerer war es ihm gefallen zuzusehen, wie dasselbe mit Ness geschah, und seinen Mund zu halten. Er hatte nicht vorhergesehen, wie sehr es ihm zu schaffen machen würde, dass sie auf diese Weise vereinnahmt wurde, bevor sie sich selbst eine Meinung bilden konnte. Abgestempelt; verbucht; abgebucht. Sie hatten darüber gestritten, und Emine war wütend gewesen, hatte getobt und geweint.
    Und zum Unglauben war Untreue hinzugekommen. Seit sie zusammen waren, war es dreimal passiert. Er lernte eine Frau kennen, deren Bedürfnis sein eigenes reflektierte, deren Verlangen wie ein Spiegel war. Er war jedes Mal vorsichtig gewesen, und Emine schien nie etwas bemerkt zu haben. Er hätte auf jede der Frauen verzichten können, wenn er dafür Emine oder Ness hätte riskieren müssen, aber sie hatten oft über Untreue gesprochen, es war eines der vielen »Was wäre wenn« gewesen, der Dinge, über die sie in tiefer Nacht redeten, wobei man dem anderen nicht ins Gesicht sehen

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