Verborgen
voreinander prahlten.
Der hab ich’s vielleicht besorgt, ich kann dir sagen. Hab ihn ihr reingeschoben wie nix. Gerammelt hab ich sie, dass ihr Hören und Sehen vergangen ist. Das hättest du hören müssen, wie die gejault hat …
Er war tief in ihrem Inneren gekommen, hatte mit aller Kraft gestoßen, alles hineingelegt, was er hatte. Und als sie merkte, was er tat, hatte sie versucht, sich zu entziehen, wendig wie ein Katze, aber nicht stark genug, und dabei hatte sie in einem fort Ben Ben Ben! geschrien, als hätte er sie verbrüht.
Hinterher hatte er nicht fassen können, was er getan hatte. Sie hatten die halbe Nacht geredet, im Dunkeln, Emine, erschöpft und ruhelos, hatte sich sinnloserweise gewaschen, hatte völlig aufgelöst über ihm gekniet, eine Silhouette vor dem Fenster, und ihn gefragt, was er vorgehabt habe, und warum – warum? –, weil sie ihn verstehen wollte, während er noch selbst versuchte, sich zu verstehen, hatte bald getobt und gewütet, dann wieder geweint oder gelacht und war schließlich doch in seinen Armen eingeschlafen.
Sie hatten auch danach noch miteinander geschlafen, aber sich nie mehr geliebt. Am Morgen war sie kalt gewesen, und das Eis war nicht mehr getaut. Er hatte eine Gier an den Tag gelegt, die er nicht zurücknehmen oder wegerklären konnte. Außerdem weigerte sie sich, noch einmal darüber zu sprechen, bis zu dem Tag, an dem sie ihn verließ. Manchmal schien es fast, als wäre es nie geschehen.
Im Lauf der Jahre hatte er mehrmals erlebt, mit welcher Vehemenz sie sich gegen Abtreibung aussprach. Er hatte diese Seite an ihr nie gemocht, hatte die Überzeugungen, die ihr Glaube ihr eingab, regelrecht gehasst, aber dennoch auf sie vertraut. Er war erschüttert gewesen, als er eines Tages die zerrissenen Reste einer Beratungsbroschüre und viel später einen handschriftlich notierten Arzttermin fand, von dem sie ihm nichts gesagt hatte. Es war ein Schock für ihn, nicht nur, dass sie schwanger war, sondern auch, dass sie überhaupt einen Abbruch in Erwägung gezogen hatte. Wie sie sich entschieden hatte, wusste er erst, als er eines frühen Morgens hörte, dass sie sich übergab. Doch selbst dann konnte er noch nicht ganz glauben, dass sie das Kind behalten würde.
Sie hatte ihn bei der Geburt nicht dabeihaben wollen. Wie Nessie heißen sollte, hatte sie ohne ihn entschieden. Vanessa Catherine Alia Mercer. Emine hatte ihr Kind ebenso eindeutig lieb gewonnen, wie sie der Liebe zu Ben entwachsen war. Sie hatte sich wahrnehmbar von ihm entfernt, unerbittlich, obwohl er sich alle Mühe gab, sie zurückzugewinnen. Es war, als sei das, was er getan hatte, unverzeihlich, ein Verbrechen, und in gewissem Sinn stimmte das auch, das wusste er, obwohl es keinen Namen dafür gab.
Liebeslügen , hatte seine Mutter von einem Mädchen auf der Straße gesagt, die bei ihrer Heirat im vierten Monat schwanger gewesen war. Aber das war anders. Das war überhaupt nicht dasselbe. Rape, Vergewaltigung, war ein besserer Name dafür. Vom lateinischen rapere . Rauben. Mit Gewalt nehmen. Das war es, was er getan hatte.
Er hatte es aus Liebe zu ihr getan. Weil er unbedingt wollte, dass sie ihn liebte. Und dann – er hatte nie erfahren, wann oder wo – war sie Foyt wiederbegegnet, der auf sie gewartet hatte. Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit. Ein berühmter Mann, verblasst, aber gut aussehend. Selbstsicher. Und alt genug – wie alle sagten –, um ihr Vater zu sein, mit eigenen Kindern, die längst erwachsen und aus dem Haus waren.
Am Montag wachte er auf, und es regnete. Er ging ans Fenster und konnte kaum die Straßen und Grundstücke unten ausmachen. Der Swimmingpool war ein Feld aus zerschlagenem Sicherheitsglas. Die vielfachen Spiegelungen der Straßenlaternen und Bremslichter wirkten festlich im Dunkeln. Ein rosa Regenschirm tanzte wie ein Lampion von einer Markise zur nächsten.
Er ging hinunter und sah, dass die Lobby überflutet war. Der Kakadu kreischte vor mädchenhaftem Gelächter, sein linkes Auge starrte auf die Flut, und die Pupille weitete sich wie bei einer Kamera. Kreuzwort und Sudoku fegten Wasser aus dem Hof auf die Straße. Sie lehnten sich auf ihre Besen, um ihn vorbeizulassen.
»Na, was hab ich Ihnen gesagt?«
Sudoku-Maria, grimmig und triumphierend.
»Was hab ich gesagt, hm? Es regnet! «
Er winkte ihr zu – gebe mich geschlagen – und stieg über die Kaskaden hinunter. Der Transporter stand draußen, Chrystos lehnte auf der offenen Tür. Wieder kein
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