Verborgene Lust
an!
Vielleicht hat Antonella endlich »den Richtigen« gefunden. Wenn sie mit Mikhail nach Russland fährt, muss es sie ziemlich erwischt haben. Valentina hofft sehr, dass es mit den beiden klappt, dass Antonella nicht das Interesse an ihm verliert. Der schweigsame Russe gefällt Valentina, und sie glaubt, dass er ihrer wilden Freundin guttut.
»Da bist du ja.«
Sie dreht sich um. Thomas steht mit nacktem Oberkörper und in seidenen Pyjamahosen im Türrahmen.
»Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du mich verlassen hast.«
Kann sie in dem kalten Tageslicht zeigen, was sie empfindet?
»Ich könnte dich jetzt nicht verlassen.«
Thomas lächelt erfreut über ihre Worte. Das ist nicht die wortkarge Valentina von einst. »Meinst du das ernst?«
Sie nickt und ist plötzlich beunruhigt, dass letzte Nacht vielleicht nur eine Illusion war und dass Thomas ihr jetzt erklärt, es sei nur eine einmalige Sache gewesen.
»Was ist das mit Anita?«, fragt sie und verflucht sich augenblicklich dafür, dass sie den Namen ihrer Rivalin ins Gespräch gebracht hat.
»Wie ich dir in der Tate gesagt habe, es ist kompliziert.«
Valentina runzelt die Stirn. Er tritt dicht vor sie und steckt ihr die Haare hinter die Ohren. »Mach nicht so ein besorgtes Gesicht. Zwischen uns ist nie etwas Erotisches oder Sexuelles gelaufen … bis du dazugekommen bist!«
»Warum hat sie sich als deine Freundin bezeichnet?«
Thomas nimmt sich einen der Teebecher, setzt sich auf die Couch und bedeutet ihr, sich zu ihm zu setzen. »Es war alles nur zum Schein«, erklärt er. »Ich glaube, man könnte sagen, wir sind eine Weile zusammen ›ausgegangen‹, aber schließlich habe ich ihr erklärt, warum ich sie kennenlernen wollte.«
»Und warum wolltest du das?«, fragt Valentina, die noch immer nicht versteht.
»Ich dachte, du hättest es inzwischen herausgefunden«, sagt Thomas und zwickt sie durch den Bademantel in den Bauch. »Anita gehörte die Zeichnung von André Masson, hinter der ich her war. Weißt du noch, ich habe dir davon erzählt, als wir uns in der Tate getroffen haben?«
»Natürlich.« Valentina überlegt. Die ganze Kunst an den Wänden von Anitas Wohnung … Plötzlich fällt ihr etwas ein. Sie schlägt erschrocken die Hand vor den Mund. »Glen war gestern Abend da«, sagt sie.
Thomas steigt vor Wut die Röte in die Wangen.
»Gott, dieser Kerl ist unglaublich«, flucht er. »Als ich ihn in der Ausstellung gesehen habe, habe ich ihm gesagt, dass er sich von dir fernhalten soll. Nun, es ist zu spät. Er kann die Zeichnung nicht mehr stehlen. Ich habe sie letzte Nacht mitgenommen. Sie ist hier.«
Er steht auf, geht durch das Zimmer und nimmt eine Aktentasche, die neben dem Sekretär lehnt. Er holt einen Schlüssel aus einem Fach im Sekretär und öffnet die Tasche. Dann zieht er eine kleine gerahmte Zeichnung hervor, reicht sie Valentina und setzt sich wieder neben sie. »Sie heißt Verdammte Frauen und stammt ungefähr von 1922.«
Valentina betrachtet das Bild. Es zeigt nackte Frauenkörper in Ekstase. Valentina findet es schwierig, einzelne Körper auszumachen. Ihre Brüste und ihr Schamhaar sind deutlicher zu erkennen als ihre Gesichter. Sie wirken wie eine sich windende Sexmasse.
»Wie ist es in Anitas Hände gelangt?«, fragt Valentina.
»Obwohl ihr Großvater im Krieg gegen die Nazis gekämpft hat, scheint er keine Skrupel gehabt zu haben, das Bild 1953 einem Händler abzukaufen, der dafür bekannt war, Kriegsbeute zu verkaufen.«
»Hast du es gestern Nacht aus Anitas Wohnung gestohlen? Hast du deshalb so getan, als seist du ihr Freund?«, will Valentina wissen und ist fasziniert von der Vorstellung, dass Thomas das Bild unter den Augen der Gäste gestohlen hat.
»Das war der ursprüngliche Plan«, bestätigt er, nimmt ihr das Bild ab und verschließt es wieder in der Aktentasche. »Deshalb habe ich dir gesagt, dass du mir vertrauen und abwarten sollst. Als Freundin hat Anita mich nie interessiert. Ich weiß, es war herzlos von mir, aber ich musste das Bild zurückbekommen.«
Valentina erinnert sich an etwas, das Anita letzte Nacht gesagt hat, kurz bevor sie alle zusammen waren. Etwas von einer letzten Chance in Bezug auf Thomas, als hätte sie gewusst, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen würde.
»Anita hat sich als anständiger Mensch entpuppt«, erklärt Thomas. »Als Glen auftauchte, habe ich mir Sorgen gemacht, dass er in ihre Wohnung einbrechen würde. Ich hatte das Gefühl, sie warnen zu müssen. Also habe
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