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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ist passiert?«
»Ich bin ohnmächtig geworden. Bei einem Freund. Es ist nichts Schlimmes. Ich hab noch ein paar
Wochen zu leben.« Diesmal schenkte Gill ihm ein warmes Lächeln.
»Die sagen, du seiest überarbeitet.« Sie hielt inne. »Was soll überhaupt dieser
'Inspector'-Quatsch?«
Rebus zuckte die Achseln, dann setzte er eine beleidigte Miene auf. Sein schlechtes Gewissen
vermischte sich mit der Erinnerung an die Abfuhr, die sie ihm erteilt hatte und die die ganze
Geschichte erst ins Rollen gebracht hatte. Er verwandelte sich wieder in einen Patienten, der
sich schwach in seine Kissen sinken ließ.
»Ich bin ein sehr kranker Mann, Gill. Zu krank, um Fragen zu beantworten.«
»In dem Fall sollte ich dir wohl besser nicht die Zigaretten zustecken, die mir Jack Morton für
dich mitgegeben hat.«
Rebus richtete sich wieder auf.
»Ein guter Mann. Wo sind sie?«
Sie nahm zwei Päckchen aus ihrer Jackentasche und schob sie unter die Bettdecke. Er griff nach
ihrer Hand.
»Ich hab dich vermisst, Gill.« Sie lächelte und zog die Hand nicht weg.
Unbegrenzte Besuchszeit war ein Vorrecht der Polizei. Gill blieb zwei Stunden, redete über ihre
Vergangenheit und fragte ihn nach seiner. Sie war auf einem Luftwaffenstützpunkt in Wiltshire
geboren, gleich nach dem Krieg. Ihr Vater war Ingenieur bei der Royal Air Force gewesen.
»Mein Vater«, sagte Rebus, »war während des Kriegs bei der Armee. Ich wurde bei einem seiner
letzten Urlaube gezeugt. Er war von Beruf Bühnenhypnotiseur.« Die meisten Leute zogen darauf die
Augenbrauen hoch, aber nicht Gill Templer. »Er trat in Theatern und Varietés auf. Im Sommer nahm
er Engagements in Städten wie Blackpool und Ayr an, sodass wir in den Sommerferien immer von Fife
wegkamen.«
Sie hielt den Kopf schräg und lauschte zufrieden seinen Geschichten. Im Krankensaal war es ruhig,
nachdem die anderen Besucher brav beim Ertönen der Glocke gegangen waren. Eine Schwester schob
einen Servierwagen mit einer großen verbeulten Kanne Tee herum. Gill bekam eine Tasse, und die
Schwester lächelte ihr verschwörerisch zu.
»Sie ist nett, diese Schwester«, sagte Rebus entspannt. Er hatte zwei Tabletten bekommen, eine
blaue und eine braune, und die machten ihn schläfrig. »Sie erinnert mich an ein Mädchen, das ich
kannte, als ich bei den Fallschirmjägern war.«
»Wie lange warst du bei den Fallschirmjägern, John?«
»Sechs Jahre. Nein, acht.«
»Warum bist du dort weggegangen?«
Warum war er dort weggegangen? Die gleiche Frage hatte ihm Rhona immer wieder gestellt, voller
Neugier, angestachelt von dem Gefühl, dass er etwas zu verbergen hatte, dass er irgendeine
monströse Leiche im Keller hatte.
»Ich weiß es nicht so genau. Es ist schwer, sich so weit zurück zu erinnern. Ich wurde für eine
Spezialausbildung ausgewählt, und die hat mir gar nicht gefallen.«
Und das entsprach der Wahrheit. Er konnte keine Erinnerungen an seine Ausbildung gebrauchen, an
den Gestank von Furcht und Misstrauen, das Schreien, das Schreien in seiner Erinnerung. Lasst
mich raus. Das Echo der Einzelhaft.
»Nun ja«, sagte Gill, »wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, wartet drüben im Präsidium ein
Fall auf mich.«
»Da fällt mir ein«, sagte er, »ich glaube, ich hab gestern Abend deinen Freund gesehen. Diesen
Reporter. Stevens hieß der doch? Er war zur selben Zeit in einem Pub wie ich. Merkwürdig.«
»Gar nicht so merkwürdig. Der hängt ständig in Pubs rum. Komisch, in mancher Hinsicht ist er ein
bisschen wie du. Allerdings nicht so sexy.« Sie lächelte, küsste ihn noch einmal auf die Wange
und stand von dem Metallstuhl auf. »Ich versuch, noch mal vorbeizukommen, bevor sie dich
entlassen, aber du weißt ja, wie das ist. Ich kann keine konkreten Versprechungen machen, D. S.
Rebus.«
Als sie vor ihm stand, wirkte sie kleiner, als Rebus sie in Erinnerung hatte.
Ihre Haare fielen ihm ins Gesicht, als sie ihn ein weiteres Mal küsste, diesmal voll auf den
Mund, und er starrte in den dunklen Spalt zwischen ihren Brüsten. Er fühlte sich ein bisschen
müde, so müde. Er zwang sich, die Augen offen zu halten, während sie hinausging. Ihre Absätze
klapperten auf dem Fliesenboden, während die Schwestern auf ihren Gummisohlen wie Geister
vorbeischwebten. Er richtete sich auf den Ellbogen auf, damit er ihren Beinen hinterher sehen
konnte. Sie hatte schöne Beine. Daran hatte er sich erinnert. Er erinnerte sich, wie sie ihn
umklammert hatten, die Füße auf seinem Hintern.

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