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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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einmal zu verbeugen,
als die meisten Leute bereits ihre Platze verließen. Er hatte seinem Bruder gesagt, er müsste
sofort nach Hause, sie würden sich nach der Show nicht mehr sehen, aber er würde irgendwann
anrufen, um zu fragen, wie es ihm gefallen hätte.
Und John Rebus hatte den größten Teil verschlafen.
Er fühlte sich jedoch erfrischt und hörte, wie er die Aufforderung der parfümierten Frau annahm,
noch einen »für unterwegs« in einer nahe gelegenen Kneipe zu trinken. Sie verließen das Theater
Arm in Arm, über irgendetwas lächelnd. Rebus fühlte sich entspannt, fast wie ein Kind. Die Frau
behandelte ihn wie ihren Sohn, und er ließ sich ihre Hätscheleien gerne gefallen. Ein letzter
Drink, dann würde er nach Hause gehen. Nur noch ein Drink.
Jim Stevens beobachtete, wie sie das Theater verließen. Das wurde ja immer merkwürdiger. Rebus
schien sich jetzt überhaupt nicht mehr um seinen Bruder zu kümmern, und er hatte eine Frau dabei.
Was hatte das alles zu bedeuten? Auf jeden Fall würde er es Gill in einem passenden Moment
stecken können. Stevens reihte es lächelnd in seine Sammlung derartiger Momente ein. Bisher hatte
sich der Abend gelohnt.
Wann war an dem Abend Mutterliebe in Sex umgeschlagen? In dem Pub vielleicht, wo ihre geröteten
Finger ihn in den Oberschenkel gekniffen hatten? Draußen in der kühlen Luft, als er seine Arme um
ihren Hals gelegt und unbeholfen versucht hatte, sie zu küssen? Oder in ihrer muffigen Wohnung,
die immer noch nach ihrem Mann riecht, wo Rebus und sie jetzt auf einem alten Sofa liegen und
sich gegenseitig die Zunge in den Hals schieben?
Egal. Es ist zu spät, etwas zu bedauern, oder zu früh. Also schlurft er hinter ihr her, als sie
sich ins Schlafzimmer zurückzieht. Er fällt taumelnd auf das riesige Doppelbett, das weich
gefedert ist und auf dem dicke Plumeaus und eine Steppdecke liegen. Er beobachtet, wie sie sich
im Dunkeln auszieht. Das Bett fühlt sich an wie eins, das er als Kind gehabt hatte, als eine
Wärmflasche alles war, was er hatte, um die Kälte abzuwehren, dazu einen Haufen kratziger Decken
und ein aufgeplustertes Federbett. Schwer und erstickend und furchtbar müde machend.
Egal.
Rebus fand die Einzelheiten ihres schweren Körpers wenig erfreulich und war deshalb gezwungen,
sich alles abstrakt vorzustellen. Seine Hände auf ihren schlaffen Brüsten erinnerten ihn an lange
Nächte mit Rhona. Ihre Waden waren dick, im Gegensatz zu Gills, und ihr Gesicht zu sehr vom Leben
gezeichnet. Aber sie war eine Frau, und sie war bei ihm, also zwängte er sie in eine abstrakte
Form und versuchte, sie beide glücklich zu machen. Doch das schwere Bettzeug bedrückte ihn, engte
ihn ein, gab ihm das Gefühl, klein und eingesperrt und von der ganzen Welt isoliert zu sein. Er
kämpfte dagegen an, kämpfte gegen die Erinnerung, wie Gordon Reeve und er in Einzelhaft gesessen
und auf die Schreie um sie herum gelauscht hatten. Aber sie hatten ausgeharrt, immer weiter
ausgeharrt und waren schließlich wieder zusammengelegt worden. Hatten gewonnen. Hatten verloren.
Hatten alles verloren. Sein Herz hämmerte im Takt mit ihrem Ächzen, das jetzt ein ganzes Stück
entfernt schien. Er spürte, wie ihn die erste Woge absoluten Widerwillens wie ein Knüppel in den
Magen traf, und seine Hände legten sich um den schlaffen, nachgiebigen Hals unter ihm. Das
Stöhnen klang jetzt unmenschlich, katzenartig, schrill. Seine Hände drückten ein wenig, die
Finger fanden an Haut und Bettlaken Halt. Sie sperrten ihn ein und warfen den Schlüssel weg. Sie
trieben ihn in den Tod, und sie vergifteten ihn. Er sollte nicht am Leben sein. Er hätte damals
sterben sollen, in jenen stinkenden unmenschlichen Zellen mit ihren Feuerwehrschläuchen und den
ständigen Verhören. Aber er hatte überlebt. Er hatte überlebt. Und er kam.
Er allein, ganz allein
Und das Schreien
Schreien...
Rebus nahm das gurgelnde Geräusch unter ihm wahr, kurz bevor in seinem Kopf eine Sicherung
durchbrannte. Er plumpste auf die röchelnde Gestalt und verlor das Bewusstsein. Es war, als hätte
jemand einen Schalter umgelegt.
----
XVI
    Er wachte in einem weißen Zimmer auf. Es erinnerte ihn sehr an das Krankenhauszimmer, in dem
er vor vielen Jahren nach seinem Nervenzusammenbruch aufgewacht war. Von draußen waren gedämpfte
Geräusche zu hören. Als er sich aufrichtete, fing sein Kopf an zu dröhnen. Was war passiert? Mein
Gott, diese Frau, diese arme Frau. Er hatte versucht,

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