Verbotene Begierde (German Edition)
Minutenzeiger seiner Uhr. Die Nacht wollte nicht schnell genug vorbeigehen. Sehnsüchtig erwartete er das Morgengrauen, um sie kurz vor Sonnenaufgang gefesselt auf seinen Balkon zu bugsieren. Er hoffte, dass die Sonne zwischen den dicken Wolken hervorblinzeln würde, um nicht mehr als ein Häufchen Asche seines Fehlgriffs übrig zu lassen.
Als es endlich so weit war, stand das Glück auf seiner Seite, denn die tödlichen, goldenen Strahlen fielen durch eine aufgelockerte Wolkendecke und brannten ihr ein Loch in die Schulter.
Sie schrie und ihr Körper bäumte sich auf dem Betonboden auf, doch kein Schrei entwich ihrem geknebelten Mund. Sie tobte.
Seine Faszination schlug in Grauen um, als er beobachtete, wie ihre Kleidung zusammenfiel und sich das Fleisch darunter aufzulösen begann. Nichts konnte sie mehr retten. Die Sonnenstrahlen eroberten die noch im Schatten liegende Balkonfläche. Ihr Gesicht zerbröselte. Er atmete erleichtert auf und ließ aus der sicheren Entfernung des dunklen Flurs mit der Fernbedienung die elektrischen Rollläden herunter.
Der Wind würde die Spuren beseitigen.
*
Gleich nach dem Aufwachen am frühen Nachmittag ertappte sich Vanessa dabei, dass sie anfing, nervös zu werden und wiederholt auf die Uhr sah. Sie konnte es nicht erwarten, dass der Tag zu Ende ging, hoffte sie doch, dass Er wie an den Vorabenden vorbeikommen würde. Um die Zeit zu überbrücken, zog sie sich ihren schwarzen Wollmantel an, schnappte sich die Autoschlüssel, und verließ ihre Wohnung, um in die Stadt zu fahren.
Das Gedränge war groß, die Hektik sprühte förmlich aus jedem Winkel der Umgebung, erfasste Mensch und Tier und trug nicht sonderlich heilsam zu ihrer Nervosität bei. Normalerweise hätte sie Lauren angerufen und sie zu einem gemeinsamen Einkaufsbummel verführt, doch ihre neugierige Freundin würde keine Ruhe geben und bis aufs i-Tüpfelchen Vanessas Unruhe hinterfragen.
Im Augenblick wollte sie ihre Gefühle und Erlebnisse mit niemandem teilen, auch wenn Lauren und sie sonst locker auch über intimste Erlebnisse sprachen.
Im Parkhaus stellte sie den Wagen auf einem Frauenparkplatz ab, lachte über ihre widersprüchliche Vorsicht und mischte sich unter die zahlreichen Besucher des Einkaufszentrums, die mit Taschen beladen umherstreiften auf der Suche nach den letzten fehlenden Weihnachtsgeschenken am Tag vor Heiligabend. Vanessa hatte schon seit Wochen alles erledigt und die kleinen Geschenke lagen liebevoll verpackt im obersten Fach ihres Kleiderschrankes.
Morgen wollte sie mit Sophie nach Hause fahren. Noch immer hatte sie keinen Weg gefunden, ihren Eltern beizubringen, dass Brian sie nicht begleitete. Fürsorglich hatten ihre Mutter und ihr Vater bereits ihre baldige Hochzeit geplant, Vanessas Aussteuer zusammengestellt, das gemütliche Haus ihrer verstorbenen Großmutter restauriert und auf Zeit vermietet, und warteten darauf, dass sie mit ihrem Zukünftigen zurück aufs Land zog, um ihre Assistenzjahre in der Landarztpraxis zu absolvieren und diese später zu übernehmen.
Das Handy vibrierte in ihrer Tasche. Vanessa zuckte zusammen. Sie stand bei Douglas an der Kasse und bezahlte ein sündhaft teures Parfum, das ihr Erspartes um einen Monatssparbetrag schrumpfen ließ. Hastig zog sie das Gerät heraus und nickte der Verkäuferin zu, die ihr die Tüte in die Hand reichte.
»Hallo?«
»Ich bins.«
Sie verschluckte sich. Woher kannte er ihre Nummer?
»Hi.«
»Hast du schon zu Abend gegessen?«
»Nein.«
»Triff mich um neun bei Paolo. Weißt du, wo?«
»Ja.«
Paolo war ein bekannter Italiener, der ein gemütliches Restaurant mit Spezialitäten seiner Heimat am Stadtrand betrieb. Die Räumlichkeiten von Paolos Gaststätte strahlten ein südländisches Flair aus, nahmen die Gäste mit dem Zauber von Sonne und Meer gefangen und gaben ihnen durch Wandgemälde, die Seeleute bei der Arbeit an ihren Netzen vor der Weite des Ozeans zeigten, Darstellungen bunter Fische und Korallen in einer Unterwasserlandschaft oder Sonnenschirme aus Palmwedeln an verlockenden Sandstränden, das Gefühl, sich mitten in der Stadt im Urlaub zu befinden. Das Lokal war gut besucht und man musste einen Tisch mehrere Tage im Voraus bestellen.
Hatte er das Essen für den Abend längst geplant? Sie kannten sich immerhin erst seit 96 Stunden.
»Bis nachher, Süße. Mach dich schick.« Er legte auf, bevor Vanessa etwas sagen konnte.
Mach dich schick … Verwirrung breitete sich aus. In Gedanken
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