Verbotene Nähe
gibt mich eben nur ein Mal«, sagte Kate amüsiert. »Nicht jeder Mann kann so ein Glück haben.«
Kate ging gegen neun Uhr. »Morgen ist wieder ein Arbeitstag, Mom ...« Als sie zu ihrem Wagen eilte, der vor dem Haus auf einem Besucherparkplatz stand, war es draußen bereits dunkel.
Sie hörte hinter sich ein Geräusch, einen verstohlenen Schritt und Stoff, der kurz über Metall streifte. Sie drehte sich um und rechnete damit, ihre Mutter zu sehen, die ihr mit einer Portion Hühnchen nacheilte.
Nichts regte sich. Ein paar Autos standen herum, da waren ein paar adrette Büsche und Blumenbeete ...
Eine Katze vielleicht, oder ein Eichhörnchen. Irgendetwas.
Sie betrachtete immer noch den Gehsteig hinter sich.
Da war nichts. Achselzuckend stieg sie in ihren Wagen und fuhr nach Hause.
In dieser Nacht klingelte um zwei Uhr das Telefon. Kate tastete schlaftrunken nach dem Hörer, das Herz bis zum Hals pochend.
Ihre Mutter? Hatten sie jetzt auch noch ihre Mutter entführt?
Als sie sich meldete, war niemand dran, niemand sagte etwas, niemand atmete. Sie legte auf und sprang aus dem Bett.
Das Display sagte: »Unbekannter Anrufer.«
Sie tat den Anruf als Missverständnis ab.
Sie trank einen Schluck Wasser und betrachtete sich im Spiegel.
Sie hasste das. Ein einziger Anruf mitten in der Nacht, und all die Angst, die sie um ihren entführten Vater gehabt hatte, kehrte zurück. All die Erinnerungen schössen ihr wieder durch den Kopf. Die alten Albträume erwachten zu neuem Leben, und wie sehr sie es auch versuchte, nichts konnte sie vertreiben.
Sie kehrte ins Bett zurück und war eine Stunde später gerade eingeschlafen, als erneut das Telefon klingelte. Sie schoss hoch und starrte das Telefon an, aber sie nahm nicht ab. Wieder stand da: »Unbekannter Anrufer.«
Ein Zufall vermutlich. Ein dummer Zufall, dass gleich zwei Anrufer ihre Nummer unterdrückten, aber dennoch nur ein Zufall.
Als das Telefon um fünf Uhr ein weiteres Mal klingelte, ließ sie den Anrufbeantworter hingehen. Eine leise, verstellte Stimme flüsterte: »Verschwinde, du Schlampe.«
Dann hängte der Anrufer schnell ein.
Morgens trug Kate etwas mehr Make-up auf, um die dunklen Schatten unter den Augen zu kaschieren.
Als sie zwei Abende später das Kapitol verließ, war die Windschutzscheibe ihres Autos mit weißer Farbe verunstaltet.
In krakeligen Buchstaben stand da: Hau ab, Schlampe.
Kate starrte die Botschaft an. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Ihre Schläfen dröhnten vor Angst. Sie drehte sich um und sah sich nach Zuschauern um, aber keiner der Passanten schien von ihr Notiz zu nehmen.
Doch sie musste der Wahrheit in die Augen sehen.
Sie hatte es mit einem Stalker zu tun.
Sie wusste nur nicht, was sie tun sollte.
Sie hatte noch nicht die Nerven gehabt, die Polizei zu verständigen. Trotz Brads Lobeshymnen auf ihre Arbeit - sie hatte mit ihren beiden letzten Geschichten sämtliche Sender Austins ausgestochen - hegte sie keinen Zweifel, dass jeder andere bei KTTV sie stürzen sehen wollte. Wenn sie erklärte, von einem Stalker verfolgt zu werden, würde man sie als Angeberin abstempeln und sie offen auslachen und nicht mehr wie bisher nur hinter ihrem Rücken. Sie hätte es nicht ertragen, wenn es noch schlimmer geworden wäre.
Aber Kate wusste Bescheid. Sie wusste, dass Stalker junge Reporterinnen »liebten«. Stalker waren labil, und auch wenn der ihre noch nicht gewalttätig geworden war, pflegten Vorfälle dieser Art zu eskalieren - bis zum ernsten Verbrechen, Vergewaltigung oder Mord.
Und was noch schlimmer war, sie hatte die ganze Zeit über Angst.
Sie hatte jeden in Verdacht.
Dieser Südamerikaner - er wusste, wie man einer Frau mit Blicken Angst machte.
Senator Oberlin - etwas an ihm war ihr von Anfang an unangenehm gewesen, und dass er zu ihrer Rettung auf dem Parkplatz erschienen war, war ein allzu glücklicher Zufall. Vielleicht hatte er dafür gesorgt, dass ihr jemand den Reifen aufschlitzte, um ihr so näherzukommen.
Linda - sie war eifersüchtig und boshaft.
Brad und Cathy, jeder, mit dem Kate zu tun hatte; jeder Teenager, der das Kapitol besichtigte und sie aus dem Fernsehen kannte; jeder Mann, der sie nur ansah und mit ihr flirten wollte.
Selbst jetzt, da die Sonne kaum nach Westen gezogen war, drehte sie sich um, als sie hinter dem Gebäudekomplex des Kapitols die Straßenseite wechselte. Sie hatte sich nie zuvor so gefühlt, und sie wusste, dass sie - Spott hin, Gelächter her - die Polizei verständigen
Weitere Kostenlose Bücher