Verbotene Nähe
weiß. Tut mir leid.«
Er brummte und war über den Verlauf der Ereignisse offenkundig nicht glücklich. Kate schaute durch das Bürofenster in die Redaktion, wo alle an einer richtigen, brandheißen Geschichte arbeiteten. »Aber alle waren sehr nett zu mir.« Interessanterweise waren sie das tatsächlich gewesen. Die brüske Reaktion, mit der Linda Kates Problem anfangs abgetan hatte, hatte offenbar der Art entsprochen, mit der sie Besorgnis auszudrücken pflegte. Denn sie hatte Kate im Behandlungszimmer des Kapitols beigestanden und auch während der Befragung durch die Polizei. Und Linda schien auch den Leuten im Sender das Richtige gesagt zu haben, denn alle schienen schockiert, und ein paar von ihnen drückten spontan ihr Mitgefühl aus.
»Ja, sind gute Leute.« Brad zündete sich eine Zigarette an. »Ich lasse Sie den Chef dieser Sicherheitsfirma begleiten, Teague Ramos. Sie werden ihn eine ganze Woche lang begleiten oder auch länger, falls es länger dauern sollte, diesen Stalker zu fassen.« Brad hielt eine Woche offenbar für eine ziemlich lange Zeitspanne. »Danach haben Sie auf jeden Fall genug Material für die Reportage zusammen.«
»Wann soll sie laufen?«, fragte Kate, einmal Reporterin, immer Reporterin.
Brad sah sie mit scharfem Blick an. »Ein Zwei-Minuten- Ausschnitt in den Fünf-Uhr-Nachrichten, und am Sonntagvormittag kriegen Sie sechs Minuten in Hier ist Austin.«
»Alles klar.« Die zwei Minuten um fünf Uhr waren okay, auch wenn sie nichts waren im Vergleich zu zwei Minuten in den Sechs- oder Zehn-Uhr-Nachrichten. Um fünf liefen all die emotionalen Berichte, und in einer Reportage über den Eigentümer einer Bodyguard-Agentur würde es definitiv emotional werden. Die Sendung am Sonntagvormittag war der reinste Friedhof; praktisch niemand schaute sich Hier ist Austin an, eine quietschvergnügte Show, die sich mit Landwirtschaftsausstellungen befasste und detailliert zeigte, wie man einen Quilt näht. Aber wenn Kate so viel Zeit für eine Reportage aufwenden sollte, musste der Sender irgendwie die Ausgaben rechtfertigen.
»Auf diese Weise«, fuhr Brad fort, »können Sie mit Tea- gue ins Kapitol gehen und so tun, als wollten Sie lediglich Ihre Reportage über ihn zu Ende bringen. Und irgendwelche guten Schlagzeilen können Sie immer noch Linda zukommen lassen.«
Kate holte tief Luft. Sie sollte die guten Geschichten an Linda weiterreichen?
»Gibt es irgendetwas, was Sie dazu sagen möchten?« Brad fixierte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Ich mache es«, sagte Kate. Als hätte sie eine Wahl gehabt. »Aber glauben Sie nicht, dass es den Leuten im Kapitol auffallen wird, wenn ich diesem Burschen den ganzen Tag über auf den Fersen bleibe?«
»Teague wird schon dafür sorgen, dass es keiner mitkriegt.« Brad lachte. »Sie werden schon sehen. Machen Sie sich keine Sorgen. Teague ist gut in dem, was er tut. Genau genommen ist er der verdammt beste Bodyguard, den ich je gesehen habe. Ich versuche schon seit Jahren, ihn zu einer Reportage zu überreden. Erstaunt mich, dass er dieses Mal zugestimmt hat. Aber wenn er sich der Sache annimmt, ist es vorbei, bevor es richtig angefangen hat.« Brad konzentrierte sich wieder auf seine sieben Bildschirme. »Und Sie gehen wieder an die Arbeit zurück, für die ich Sie bezahle.«
Nach dieser bitteren kleinen Bemerkung schlich Kate sich so leise sie konnte aus dem Büro. Sie wusste, dass sie ihr enormes Gehalt nicht verdient hatte, und sie wollte nicht, dass Brad noch länger darüber nachbrütete. Er machte nicht den Eindruck eines Mannes, der Geld hinauswarf, ohne für seine Investition eine Gegenleistung zu erwarten.
Als sie zu ihrem Schreibtisch ging, wurde es still in der Redaktion. Aber es war nicht die feindselige Stille, die sie von früher kannte, sondern eher das besorgte Schweigen von Menschen, die nicht wussten, was sie in einer befremdlichen Situation sagen sollten; nach dem Tod ihres Vaters hatte sie dieses Schweigen oft erlebt. Sie sah sich lächelnd um, ohne irgendjemanden anzusehen, setzte sich an ihren Computer und suchte im Internet nach Ramos Security .
Sie fand die Adresse bei MapQuest und notierte sie sich. Doch sehr viel mehr über die Firma oder Teague Ramos selbst ergab die Suche nicht. Sie stieß auf ein kleines Foto in einer Gesellschaftskolumne, auf dem er einen Smoking trug und ein großes, dünnes Model zu diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen eskortierte. Er sah für sie nicht gerade wie der typische Leibwächter
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