Verbotene Nähe
»Nun?«, stichelte er.
»Ja, ich habe Neuigkeiten. Zack Givens älteste Tochter ist gerade acht Jahre alt geworden, und sie hat eine Art« - Ur- banos Zeigefinger beschrieb ein Fragezeichen -, »eine Art Identitätskrise. Also habe ich mit Hope gesprochen.«
»Die liebe kleine Hope.« Die älteste Prescott-Tochter, die George seit ihrer Eheschließung mit Zack Givens ein Stachel im Fleisch war. Sie war sechzehn Jahre alt gewesen, als ihre Eltern umgekommen waren. Sie hatte miterlebt, wie ihre achtjährige Schwester in eine Pflegefamilie gekommen und wie ihr Adoptivbruder Gabriel den texanischen Behörden überantwortet worden war. Und sie hatte geweint, als man ihre kleine Schwester Caitlin fortgeholt hatte.
George hätte wissen müssen, dass Hope ein Problem werden würde, aber er hatte naiverweise gedacht, es würde ausreichen, Hope ans andere Ende des Landes zu schicken, nach Boston, wo für sie alles fremd war, wo sie kein Geld, keine Familie und keinen Schulabschluss hatte. Er hatte gedacht, das würde sie außer Gefecht setzen.
Aber nichts konnte diese Schlampe aufhalten. Sie hatte alle Schwierigkeiten überwunden und einen Givens geheiratet, und nicht irgendeinen Givens. Zack Givens, den Sohn und Enkel einer Ostküsten-Industriellendynastie. Es war ein schlauer Schachzug gewesen, ihre Pfarrerstochtertugenden an einen Mann zu verkaufen, der ihr bei der Suche nach ihren Geschwistern behilflich sein konnte. George wusste nicht, welche Art von Magie sie zwischen den Beinen hatte, aber sie hatte Givens derart im Griff, dass er mit einem solchen Nachdruck nach ihrer Familie suchte, als wäre es seine eigene.
Gabriel hatten sie ziemlich schnell gefunden, aber mit den anderen beiden hatten sie kein Glück gehabt.
Natürlich nicht. Pepper war rebellisch, wild und aufsässig. George hatte sie nach Seattle geschafft, auf die entgegengesetzte Seite des Landes, und da war sie irgendwie vom Erdboden verschwunden.
George hoffte, dass sie tot war. Das wäre Hope recht geschehen.
Hope hatte versucht, ihre Geschwister mit Hilfe von Akten zu finden, die in einem Gerichtsgebäude verwahrt worden waren, aber praktischerweise hatte ein Feuer sie zerstört.
Sie hatte jemanden nach Hobart geschickt, der mit den Leuten gesprochen hatte, die sich an die Prescotts erinnern konnten. Aber George hatte die Stadt im Griff, und keiner hätte sich mit ihm angelegt. Keiner hatte geredet. Die meisten wussten ohnehin nicht, was wirklich vorgefallen war.
Eigentlich wusste das niemand so genau, nicht einmal Evelyn.
Aber Hope wusste zu viel.
Wenn sie mit ihren Vermutungen an die Öffentlichkeit ging ... so groß konnten sein Einfluss und seine Schmiergeldzahlungen gar nicht sein, dass seine sämtlichen Taten geheim blieben.
Er hatte gerade überlegt, was er tun konnte, um sie abzulenken, da hatten sie einen Fehler gemacht. Sie hatten Jason Urbano geschickt, um ihn heimlich auszuforschen.
George hatte so viele Beziehungen, dass er praktisch sofort von Urbanos Schnüffelei erfahren hatte. Also hatte er einen Detektiv angeheuert, der in Urbanos Vergangenheit herumgestochert hatte.
George hielt Urbanos Dossier immer noch unter Verschluss, als sei es das wichtigste Dokument der Welt, wie eine Gutenberg-Bibel oder die Verfassung der Vereinigten Staaten.
Es hatte sich herausgestellt, dass Urbano seit seinem Juradiplom als Rechtsberater für Givens Industries gearbeitet hatte. Er war ein guter Freund von Zack Givens, und Givens hielt auf Loyalität. Hätte er herausgefunden, dass Urbano, seit er für ihn arbeitete, Geld aus seinen Firmen abgezogen hatte, hätte Givens ihn an seinem kurzen Hals aufgehängt. Außerdem hatte Urbano einige Fehltritte begangen, und seine Frau hatte nicht nur einen fabelhaften Ehevertrag, sondern auch ein explosives Temperament. Natürlich zeigte sie ihren Jähzorn nicht öffentlich, aber wenn ein Mann genug Geld, Einfluss und den richtigen Detektiv hatte, bekam er auch solche Informationen.
All das gefiel George bestens, denn er hatte schon genug unter dieser Bostoner Verschwörung gelitten.
George fixierte Urbano mit kaltem Blick. »Und was hat Hope von der Identitätskrise ihrer Tochter erzählt?«
»Sie hat gesagt, sie würden Lana nach Europa bringen ...«
»Lana?« George schluckte. »Das Mädchen heißt Lana?«
»Ja. Warum?«
George goss sich einen großen Whiskey ein und leerte das Glas in einem Schluck. Hopes Mutter hatte Lana geheißen. »Sie bringen sie nach Europa?«
»Hope hat darauf
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