Verbotene Sehnsucht
traurig anschauten.
Mit der linken Hand hob er das Glas. » Auch einen Drink, Miss Armstrong?«
Missy riss sich zusammen und entgegnete gleichmütig: » Ist es nicht ein wenig zu früh am Tag, um sich einen Schluck zu genehmigen?«
Er schenkte ihrer Bemerkung keine Beachtung, ließ sich in den Armsessel sinken und bedeutete ihr mit einer lässigen Bewegung, sich ebenfalls zu setzen.
Missy durchquerte den Raum und wählte einen Stuhl, dessen Lehne beinahe so steif und kerzengerade war wie ihr Rückgrat. » Gerade eben hatte ich eine wirklich erhellende Unterhaltung mit Lord Crawley. Offensichtlich ist er dem falschen Eindruck erlegen, dass Thomas handgreiflich werden könnte, sollte er mir weiterhin den Hof machen. Kannst du dir vorstellen, warum er solchem Unsinn Glauben schenkt?«
Es schien, als starre James sie eine Ewigkeit lang an mit seinem unergründlichen Blick. Dann leerte er sein Glas, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand auf und ging zur Anrichte, um sich nachzuschenken. Missy spürte, wie Zorn in ihr aufkeimte.
» Crawley ist ein Spieler. Wenn sich sein Vermögen nicht bald erholt, wird er ohne einen Penny dastehen.« James drehte ihr den Rücken zu, während er sprach. Erneut schoss Zorn in ihr hoch, doch just in dem Moment, als sie den Mund öffnete, um ihn zur Rede zu stellen, wandte er sich um und kam auf sie zu.
» Und was Riley betrifft, der um dich herumscharwenzelt wie ein junger Hund, der Küchenabfälle erbettelt– ich würde ihn an deiner Stelle nicht unbedingt ermutigen. Er hängt immer noch am Rockzipfel seiner Mutter. Wenn du ihn heiratest, wäre es so, als würdet ihr zu dritt im Ehebett liegen.« Er schauderte spöttisch und setzte eine angewiderte Miene auf, bevor er boshaft grinste.
Lady Riley, seit nunmehr zehn Jahren verwitwet, galt unter den Frauen der Salons als diejenige mit der größten Impertinenz. Schwer zu sagen, was sich schlechter ertragen ließ: ihre Aufdringlichkeit oder die Maßlosigkeit, mit der sie ihren ältesten Sohn selbstsüchtig an sich band. Falls Missy tatsächlich in Erwägung zog, ihn zu heiraten, was sie ganz gewiss nicht tat, dann war sie gut beraten, die Eigenheiten der alten Lady nicht zu vergessen.
» Es geht dich nichts an, wen ich zu sehen wünsche, und es liegt auch nicht in deiner Verantwortung, irgendeinen Gentleman davon abzubringen, mir den Hof zu machen. Ich bin nicht deine Schwester.« Musste er eigentlich ständig daran erinnert werden?
Seine spöttische Art schlug in Sekundenbruchteilen um. Verlangen flackerte in seinen Augen auf, als er den Blick über sie gleiten ließ, eine lüsterne Musterung, die bei den hochgesteckten kastanienbraunen Locken begann und am Saum ihres moosgrünen Kleides endete, aber unanständig lange in der Mitte verweilte.
In ihrem Bauch breitete sich verräterische Hitze aus. Missy spürte, wie ihre Brustspitzen ganz hart wurden unter ihrem Mieder. Unmöglich, dass er ihre Erregung bemerkte– nicht durch so viele Lagen Stoff hindurch. Und doch kam es ihr vor, als stünde sie nackt vor ihm. Verlegen senkte sie den Blick.
» Glaub mir«, stieß er in heiserem Tonfall hervor, » dessen bin ich mir sehr wohl bewusst.« Sein Blick blieb auf ihren Brüsten haften.
» Dann verlange ich, dass du damit aufhörst«, sagte sie, obwohl ihr gar nicht klar war, was sie damit meinte. Dass er aufhörte, heiratswillige Verehrer abzuwimmeln oder sie so unanständig mit seinen Blicken auszuziehen. Mit diesen glühenden Augen könnte er ganz London in Brand stecken.
Tief aus seiner Kehle drang ein raues, humorloses Lachen, und erneut schaute er sie mit unverhülltem Begehren an.
» Vor kaum drei Monaten bist du in mein Zimmer gekommen und hast dich mir wie ein liebeskrankes Schulmädchen an den Hals geworfen. Heute genießt du die Aufmerksamkeiten eines Dandys.« Er hob das Glas zu einem spöttischen Toast. » Das nenne ich flatterhaft. Wie alle Frauen.«
Der Zorn in seiner Stimme schnürte ihr die Kehle zu und machte sie wütend. Sein Blick besagte, dass er sie innerlich zu brechen versuchte, was sie in ihrem Beschluss bestärkte, es ihm heimzuzahlen.
» Wie du gesagt hast, handelte es sich um nichts anderes als um die Vernarrtheit eines jungen Mädchens. Aber darüber bin ich nun hinweg. Über dich auch.« Die Lüge kam ihr ohne jede Anstrengung über die Lippen, und sie streckte die Nase in die Luft, um ihre Bemerkung zu bekräftigen. » Du hast keinen Zweifel daran gelassen, wie es um deine Gefühle für mich
Weitere Kostenlose Bücher