Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Hals und das leicht gebräunte Gesicht über dem hellen Weiß sah.
»Nun, Joanna Sheridy«, murmelte sie, »ich trete dir würdig entgegen. Und wir werden ja sehen, ob du langwierige Einwände wagst. Elizabeth Landale werdet ihr alle niemals abschütteln können!«
6
In dem gemütlichen Eßzimmer von Heron Hall saßen Harriet, Joanna und George um den Frühstückstisch herum und stocherten ein wenig appetitlos in dem allmorgendlichen, klebrigen Haferflockenbrei herum. Die Türen zu den Terrassen standen weit offen, die noch kühle, etwas salzige Luft des klaren Augustmorgens wehte über taufeuchte Wiesen hinweg in den Raum, brachte den Geruch von Blumen und Meer. Durch die Vorhänge fielen helle Sonnenstrahlen auf den Teppich und auf den Tisch und ließen den Orangensaft in den hohen Gläsern glitzern. Das Kreisehen
der Möwen mischte sich mit übermütigem Pferdewiehern, doch selbst diese Idylle vermochte die Stimmung der Familie nicht zu heben. Harriet saß völlig kraftlos auf ihrem Stuhl. Sie hatte Joanna, George und sämtliche Dienstboten die halbe Nacht auf den Beinen gehalten, weil sie plötzlich von einem Schwindelgefühl aufgewacht war und um Hilfe geschrien hatte. Alle Kerzen in ihrem Zimmer mußten angezündet werden, Joanna durfte ihre Hand nicht mehr loslassen, Edna machte kalte Umschläge, George saß mit verschlafenem Gesicht in einer Ecke, und als er sich verdrücken wollte, rief Harriet ihn sofort mit scharfer Stimme zurück.
Sie hatte sich in der letzten Zeit in den festen Glauben gesteigert, bald sterben zu müssen, weshalb sie auch die kleinste Unpäßlichkeit jedesmal als sicheres Zeichen ihrer letzten Stunde sah.
Das geschah so häufig, daß niemand mehr sie ernst nehmen konnte und jeder nur noch entnervt ihren regelmäßigen abschließenden Lebensbeichten lauschte. Sie klagte sich all ihrer Verfehlungen an, bezeichnete sich als Last für ihre gesunde Umwelt und richtete dann schließlich ihre Augen auf das große Gemälde von Phillip, das über dem Fußende ihres Bettes hing.
»Ich bin bald bei dir«, murmelte sie, ließ den Kopf zurücksinken und wartete auf den Tod, der aber nicht eintrat. Auch heute war sie frühmorgens zwischen den altvertrauten Möbeln ihres Zimmers aufgewacht, und Phillip blickte sie so gleichmütig wie immer aus dem vergoldeten Bilderrahmen an. Nach einigen Überlegungen entschied Harriet, trotz allen Ungemachs aufzustehen, hinunterzugehen und dort weiterzuleiden.
»George, du weißt genau, daß es mich ärgert, wenn du beim Trinken die Ellbogen aufstützt«, murmelte sie.
»Ich bin aber müde«, gab George patzig zurück.
»Ja, meinetwegen«, sagte Harriet, »meinetwegen konntest du heute nacht nicht schlafen!«
»Wenn Sie auch immer denken, jedes Husten sei das Ende...«
»George!« wies Joanna ihn zurecht. »Iß jetzt und rede nicht soviel.« Sie hatte ein angespanntes, übernächtigtes Gesicht und
fühlte sich gar nicht wohl. Dabei mußte sie ausgerechnet heute mit Edward nach King’s Lynn fahren. Dort fand in jeder Woche ein großer Markt statt, zu dem fahrende Händler kamen und die Leute der ganzen Umgebung zusammenströmten, um die nützlichsten und nutzlosesten Dinge zu kaufen. Edward drängte schon seit dem Frühjahr, Joanna müsse einmal mit ihm dorthin gehen, bis sie diesmal schließlich erschöpft nachgegeben hatte. Harriet betrachtete sie durchdringend.
»Konntest du kein schöneres Kleid anziehen«, fragte sie, »wenn Edward Gallimore schon mit dir ausgeht?«
»Ich kann mir kein schöneres Kleid leisten.«
»Ja, ich weiß, seit Vater tot ist, ruht die Verantwortung auf mir, und ich werde ihr nicht gerecht. Wir sind arm. Aber trotzdem, du hast schönere Kleider als dieses. Warum denn nicht das grüne?«
»Das grüne ist mir zu warm. Dieses ist leichter.«
»Meinst du denn, daß es heute so heiß wird wie gestern?«
»Sicher. Sehen Sie doch den Himmel an!«
»Ich glaube aber nicht, daß es heute heiß wird«, sagte Harriet quengelig, »und das grüne Kleid ist viel schöner!«
»Das grüne hat einen Fleck«, log Joanna, die bereits Kopfschmerzen bekam, wie stets, wenn sie mit ihrer Mutter sprach.
»Ach so. Warum sagst du das nicht gleich? Wenn es einen Fleck hat, warum sagst du dann, daß es dir zu warm ist?«
»Mutter, es ist mir zu warm, und es hat einen Fleck!«
»Ich weiß wirklich nicht, wie du darauf kommst, es könnte heute heiß werden«, fing Harriet erneut an, »ich glaube...«
Glücklicherweise wurde sie von Edna
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