Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Abneigung gegen ihn vielleicht mit seiner unerträglichen Unterwürfigkeit zusammenhing.
»Edward, seien Sie nicht so bescheiden!«
»Sie haben mich bescheiden gemacht.«
»Sie waren es immer!«
»Woher wollen Sie das wissen? Aber in meiner Freundschaft zu Ihnen blieb mir nichts anderes übrig, als geduldig zu sein. Wie sonst... hätte ich diese Jahre ertragen sollen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sagten es bereits, Ihre Zuneigungsbekundungen fielen sparsam aus.«
Joanna wußte nichts darauf zu erwidern, und eine Weile schwiegen sie beide.
Edward schien seine Worte bereits wieder zu bereuen, er hatte mehr gesagt, als er jemals sagen wollte. Zudem befand er sich in einem Zustand steigender Verwirrung. Wie er schon heute beim ersten Blick auf Joanna festgestellt hatte, war über Nacht eine Veränderung mit ihr vorgegangen, die er sich nicht erklären konnte. Was bedeutete der Streit mit Elizabeth wirklich für sie? Und warum war sie zu ihm gekommen, welche Absicht verfolgte sie mit ihrem Besuch? Edward sah aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. Sie leckte sich gerade zum hundertsten Mal mit der Zunge über die trockenen Lippen. Er fand, daß sie so reizend aussah wie nie, mit ihren vom Wind zerzausten hellblonden Haaren, den großen, unruhigen Augen und dem übernächtigten Gesicht. Wenn sie nur ahnen könnte, wie sehr er sie liebte. Daß er sich danach sehnte, sein ganzes Leben mit ihr zu verbringen, daß er sich vorstellen konnte, für den Rest seines Daseins jeden Morgen ihr so gegenüberzusitzen und sie anzusehen wie heute. Mehr, als jede sinnliche Schönheit es vermocht hätte, faszinierten ihn Klarheit und Intelligenz ihres Ausdrucks. Er sah in ihr einen Menschen, der es wert war, mit allen Fehlern geliebt, verehrt und anerkannt zu werden.
Die Stille zwischen ihnen wurde bedrückend. Joanna gab sich einen Ruck. Wenn sie nicht bis zum Abend hier sitzen wollte,
mußte sie nun ihr Anliegen vorbringen. Deutlich bemerkte sie den anbetenden Blick in Edwards Augen. Die Gelegenheit war günstig.
»Es ist wahr«, sagte sie leise, »ich habe mich oft nicht sehr freundlich Ihnen gegenüber gezeigt. Das lag daran, daß ich mir über meine Gefühle... nicht im klaren war.« Sie sah zu Boden. Edward sah sie unruhig an.
»Ihre Gefühle«, sagte er, »hat sich daran etwas geändert?«
»Ja.«
»Sie wissen jetzt, was Sie für mich empfinden?«
»Ja...«
»Und, eh, möchten Sie darüber sprechen?«
Das tu’ ich doch schon die ganze Zeit, dachte Joanna aufgebracht, nun versteh doch endlich, was ich sagen will! Wenn es geht, dann erspare mir doch bitte, daß ich dir einen Heiratsantrag mache!
Doch Edward stand noch voller Ungläubigkeit vor der unerwarteten Entwicklung und wagte nicht, das Schicksal in seine Hand zu nehmen.
»Möchten Sie mir etwas über Ihre Gefühle sagen?« wiederholte er drängend.
Joanna sah angestrengt zum Fenster hinaus. »Edward«, sagte sie langsam und deutlich, »Sie haben mir in den vergangenen Jahren häufig die Ehre zuteil werden lassen, um meine Hand anzuhalten. Es schmerzte mich jedesmal sehr, Ihren Antrag zurückzuweisen, doch wußte ich lange Zeit selber nicht, was ich wollte, und wurde zudem meist gedanklich sehr in Anspruch genommen von meinen Grübeleien um Elizabeths Schicksal. Dies ist nun vorüber...«
Edward hing gebannt an ihren Lippen. Es war hoffnungslos, zu erwarten, er werde etwas sagen. Joanna seufzte.
»Heute«, fuhr sie fort, »wäre ich bereit...«
Edward starrte sie an.
»Was?«
»Nun ja... Sie verstehen mich doch, oder?«
»Wenn ich Sie richtig verstehe, dann...« Er brach schon wieder
ab. Joanna vibrierte vor Ungeduld. Wie konnte jemand so langweilig sein!
»Wenn ich Sie richtig verstehe, dann haben Sie soeben eingewilligt, meine Frau zu werden?«
Na, Gott sei Dank, endlich! hätte Joanna beinahe gerufen, doch sie verbiß es sich im letzten Moment und nickte statt dessen nur. Edward war mit zwei Schritten neben ihr und griff nach ihrer Hand.
»Ich hätte Sie nicht noch einmal darum gebeten«, flüsterte er, »und dabei brauche ich Sie, Joanna.« Für einen Augenblick verspürte Joanna Schuldgefühle, als sie die aufrichtige Wärme und Freude Edwards wahrnahm. Von allen Menschen der Welt liebte dieser hier sie am meisten, und sie benutzte ihn für ihre Zwecke. Sie verbot sich rasch, darüber nachzudenken. Edward hätte gern noch etwas mehr darüber gewußt, wie diese plötzliche Entscheidung Joannas zustande gekommen war, aber er dachte sich, daß er
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