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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sie verlassen hatten, am meisten hing. Den ersten Schock versetzte ihr George, der, kaum dreiundzwanzig Jahre alt, beschloß, mit Wellingtons Armee am Pyrenäenfeldzug teilzunehmen. Seine Ankündigung und die kurz darauf tatsächlich erfolgende Abreise lösten in Foamcrest Manor eine Monate dauernde Tragödie aus, in deren Verlauf Joanna Gallimore es sich eingestand, daß sie ihre Mutter zutiefst verachtete, und nicht mehr versuchte, dies vor sich selbst zu beschönigen. Harriet, die sich voller Grauen an die düstere Prophezeiung der Kinderfrau an Georges Wiege erinnerte, brachte es fertig, daß sich sämtliche Schloßbewohner über Wochen hinweg
an jedem Tag vierundzwanzig Stunden lang nur um sie kümmerten, sogar Joanna, die, obwohl wütend, erschöpft und manchmal haßerfüllt, ihr Gefühl von Verpflichtung Harriet gegenüber niemals loswurde.
    »Wen habe ich denn noch«, jammerte Harriet wieder und wieder, »mein Phillip ist tot, George zieht in den Krieg, und meine Cynthia, ach, meine Cynthia, wäre sie doch wenigstens noch hier!«
    Joanna beneidete Cynthia insgeheim, die fern ihrer Heimat im sonnigen Rom lebte, es sich dort offenbar mit dem Lumpen Anthony und ihrer kleinen Tochter gutgehen ließ und regelmäßig heitere, zärtliche Briefe nach England schrieb, die bei Harriet jedesmal einen Sturm wehmütiger Erinnerungen auslösten.
    Alles, alles, jede Krankheit, jeder Kummer, jede Bitterkeit, jede Verfehlung der Umwelt wurde nach Georges Fortgang an jedem Tag neu aufgetischt.
    Harriets Gedächtnis war phänomenal, wenn es darum ging, sich die Ärgernisse zu merken, die ihr von ihren Mitmenschen zugefügt worden waren. Mit den Jahren wurde dieses Gedächtnis allerdings immer einseitiger, auf einmal waren die anderen an allem schuld, auch an ihren vielen körperlichen Leiden und an Phillips Tod. Und ohnehin natürlich an Cynthias Flucht, an der plötzlichen Armut der Sheridys und an jenem Skandal, den Elizabeth, die damalige Countess Locksley, acht Jahre zuvor in einer frostklaren Januarnacht verursacht hatte, als sie mit ihrem früheren Liebhaber, der gerade das Haus ihres Mannes ausraubte, gemeinsam die Flucht ergriff, in die Themse sprang und hinüber aufs Festland nach Belgien floh, von wo aus sie Joanna eine kurze Nachricht sandte.
    Jedesmal, wenn Harriet davon anfing, wurden Joannas Augen ganz dunkel, und sie sprach kein Wort. Sie konnte mit einiger Selbstbeherrschung Harriets sonstiges Lamentieren ertragen und ihr in jeder Stunde dieselben Trostworte noch einmal sagen, aber sie konnte noch immer nicht, nach so vielen Jahren, über Elizabeth reden. In jener Nacht, in dem Augenblick, als Elizabeth mit einem plötzlich ganz fremden, weißen Gesicht und
ohne das geringste Zittern in den Händen den Soldaten niederschoß und ohne ein weiteres Wort verschwand, zerbrach die Welt, die sich Joanna Jahre zuvor als kleines Mädchen aufgebaut und jeder Widrigkeit zum Trotz tapfer erhalten hatte. Obwohl sie dabei das Gefühl einer Befreiung hatte, mußte Joanna erleben, daß Freiwerden der schlimmste Schmerz sein konnte. Außerdem fand sie niemanden, dem sie sich zuwenden konnte, wobei sie zum ersten Mal in ihrem Leben bemerkte, daß sie, die sich stets für überaus sachlich gehalten hatte, in Gefühlen geradezu ertrank und kaum existieren konnte ohne einen Menschen, dem sie ihre Liebe geben konnte.
    Sie hatte gedacht, daß sie, nun, da sie frei war von Elizabeth, endlich bereit sein konnte, Edward zu lieben, und sie brauchte Jahre, um zu begreifen, daß sie zu spät gekommen war. Edward blieb unerreichbar. Seit Trafalgar lebte er düster und grüblerisch, und daran vermochte die Zeit, die gewöhnlich Trost gab, nichts zu ändern. Joanna weigerte sich sehr lange, die Erkenntnis, daß Edward außerhalb ihrer Reichweite stand, anzunehmen, denn wenn sie sich je in ihrem Leben auf etwas felsenfest verlassen hatte, dann darauf, daß sie Edward immer und jederzeit haben konnte.
    Lady Harriet merkte, anders als Lady Cecily, nie etwas von den Spannungen zwischen Joanna und Edward, sie war nur glücklich, als beide aus London zurückkehrten und bei ihr waren, als die Woge klatschsüchtigster Sensationslust über die Familie hereinbrach. Die Zeitungen des ganzen Landes überschlugen sich in Spekulationen, Meldungen, Gerüchten, Angriffen und Verleumdungen. Nie zuvor war Foamcrest Manor ein so begehrter Treffpunkt für die Damen und Herren der Gesellschaft gewesen wie jetzt, als Elizabeth Landales atemberaubende Flucht mit

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