Verdacht auf Mord
Gebäude umstanden, wahrscheinlich waren die Stiefel an diesem Tag also recht angebracht.
Er hatte sich also einen Termin bei Kerstin Malm geben lassen. Es war immer am sichersten, wenn möglich ein Treffen im Voraus zu vereinbaren. Insbesondere jetzt, zu Beginn des neuen Schuljahres, schien es ihm ratsam. Er radelte erst noch ins Präsidium, um seine Papiere zu holen.
Trotz allem fühlte er sich noch nicht ganz zugehörig, war aber gleich sehr aufgemuntert, als ihn Peter Berg und Erika Ljung vor dem Kaffeeautomaten begrüßten.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Berg.
»Du siehst aber ausgeruht aus«, meinte Ljung.
»Alles bestens«, erwiderte Claesson.
»Du bist an dieser Bodén-Sache dran?«, fragte Berg.
»Das ist doch im Augenblick ganz passend«, antwortete er entschuldigend, als versuchte er sich herauszureden.
»Rätselhaft«, meinte Berg.
»Die Wirklichkeit ist selten rätselhaft.«
»Ich weiß.«
Louise Jasinski kam aus ihrem Zimmer. Hatte sie seine Stimme gehört? Sie hob den Blick von einem Papier, das sie beim Gehen las. Sie sah ihn verbissen an.
»Wie sieht’s aus?«, fragte er.
»Okay.«
»Bis dann! Ich muss weiter«, sagte er dann zu allen dreien, aber lächelte Louise besonders herzlich an.
Und sie lächelte zurück. Unglaublich, aber wahr.
Das Oskarsgymnasium war ein einstöckiges Gebäude. Das Entree erinnerte an eine chinesische Pagode à la Småland. Das Schulgelände mit Sporthalle und anderen Gebäuden war sehr groß. Hinter dem Hauptgebäude befanden sich Grünflächen mit mehreren Sportplätzen.
Die meisten Jugendlichen saßen vermutlich in den Klassenzimmern, denn sowohl der asphaltierte Schulhof als auch die Gänge waren recht ausgestorben. Claesson glaubte zu wissen, dass die Stundenpläne anders aussahen als zu seiner Zeit. Jetzt gab es einzelne Kurse und viel Zeit für selbstständige Arbeit, während der die Schüler hauptsächlich auf den Gängen herumhingen oder in den Aufenthaltsräumen herumtrödelten. Das glaubte er zumindest. Die Devise lautete, dass man ohne Selbstdisziplin und unerschöpflichen Wissensdurst nichts erreichte.
Er bereute es, mit dem Fahrrad gekommen zu sein, denn schwarzblaue Wolken hatten sich am Himmel aufgetürmt.
Der Sekretariatstrakt war gut ausgeschildert. Und weitläufig. Die Anzahl der Rektoren hatte seit seiner Schulzeit ganz offensichtlich zugenommen. Es gab neuerdings drei sogenannte Studienrektoren. Der Chef des Ganzen wurde nicht mehr Direktor, sondern Gymnasiumschef genannt. Dann lerne ich eben um, dachte er. Aber für ihn blieb Kerstin Malm nach wie vor die Direktorin.
Die Tür stand auf. Kerstin Malm saß hinter einem riesigen Schreibtisch, der mit Ordnern, Papier- und Heftestapeln bedeckt war.
Sie hatte einen festen Händedruck.
»Wird es lange dauern?«
Meine Güte, wirkt die aber gehetzt, dachte er.
»Ich meine, lohnt es sich, dass ich Kaffee hole? Schließlich ist es ja Zeit für den Zehnuhrkaffee«, sagte sie und lächelte mit ihren lippenstiftroten Lippen.
»Danke. Das klingt gut!«
Einige Minuten später war sie mit einem Tablett mit zwei kaffeegefüllten Bechern aus Ton und einem Teller mit zwei grünen, marzipanüberzogenen Gebäckstücken zurück. Diese sogenannten Staubsauger hatten sie auf der Wache auch, denn sie schmeckten einfach allen. Diese hier waren kalt, die grüne Marzipanschicht war hart. Wahrscheinlich kamen sie direkt aus dem Tiefkühlfach. Aber schließlich zählte die gute Absicht.
»Meine Güte«, begann sie. »Das muss wirklich ein Irrtum gewesen sein.«
Er sagte nichts. Die Frau vor ihm war Anfang fünfzig, groß und von kräftigem Knochenbau, wie fülligere Frauen das gerne ausdrückten. Ihr mahagonifarbenes Haar reichte ihr wie eine Haube über die Ohren und bedeckte die Stirn mit einem geraden Pony. Ihre baumelnden Ohrringe bestanden aus blauen Steinen, deren Farbe zu ihrem Lidschatten passte, was ihr gut stand. Insbesondere da ihre Augen eine ähnliche Färbung hatten. Sie trug lange Hosen und eine graue Kostümjacke.
»Wie erging es Jan Bodén hier an der Schule?«, begann er die Befragung.
»Gut.«
Die Antwort kam rasch. Er wartete auf die Fortsetzung, die in der Luft hing. Sie schaute auf den kleinen Tisch, an dem sie saßen, eine Sitzgruppe mit zwei Sesseln. Vermutlich für solche kleinen Kaffeepausen vorgesehen, aber sie hatte den Tisch erst von Papieren freiräumen müssen. Dann hatte sie zwei Teelichter in dreibeinigen blauen Kerzenständern der Glashütte Nybro angezündet. Er
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