Verdacht auf Mord
bedächtig und mit einer gewissen Verzögerung, als müsste er stets nach den richtigen Worten suchen, was ungeduldige Personen aufbrachte und dazu führte, dass sie versuchten, ihm Beine zu machen. Aber das hatte keinen Sinn, denn Gillis Jensen ging behutsam mit Worten um oder fürchtete sie geradezu. Er war mit acht Jahren nach Schweden gekommen, und das Dänisch, das er damals gesprochen hatte, hatten alle für Kauderwelsch gehalten, insbesondere weil seine Familie nicht aus Seeland und dem Großraum Kopenhagen stammte, sondern aus Jütland, wo ein schwer verständlicher Dialekt gesprochen wurde.
Eigentlich war die Kriminalpolizei in Malmö für alle Mordermittlungen im südlichen Schonen zuständig, aber im Moment vollzog sich gerade eine der unzähligen Umstrukturierungen.
Seiner Frau, die im Pflegesektor arbeitete, erging es ähnlich. Es hatte keinen Sinn, sich groß aufzuregen. Vielleicht wurde das eine oder andere ja tatsächlich besser, wenn man es nur durch die richtige Brille betrachtete.
Jedenfalls lief es im Augenblick wieder einmal auf eine Dezentralisierung hinaus, die so weit ging, dass sich sogar vollkommen unerfahrene Streifenpolizisten um gewisse Ermittlungen kümmern durften. Wie diese ausfielen, konnte man sich leicht ausrechnen. Kurz gesagt, höchst unterschiedlich. Das war zumindest Jensens Ansicht. Aber er war andererseits auch einer jener verhassten Beamten, die schon auf die Rente zugingen und als Fossile betrachtet wurden. Dass sie etwas konnten, schien plötzlich vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein. Gemäß der jüngsten Verlautbarung von oben sollten sie den wachen, jungen Leuten Platz machen. Frührente. Jensen verspürte jedoch nicht die geringste Lust abzutreten. Er wollte bis fünfundsechzig durchhalten.
Die Leute in Malmö hatten alle Hände voll zu tun und rissen sich nicht gerade darum, auch noch die Ermittlung über die tote Studentin zu übernehmen. Damit musste die Lunder Polizei schon selbst fertig werden. Eine weitere Mordermittlung also. Die Spurensicherung aus Malmö kümmerte sich jedoch um die Wohnung im Örnvägen 53, da Lund über keine Kriminaltechniker verfügte.
Das Ermittlungsverfahren leitete dieses Mal nicht die Staatsanwältin Malin Didriksen, sondern der bedeutend trockenere und korrektere Christer Pettersson. Kriminalinspektor Lars-Åke Mårtensson war ausersehen worden, die Fahndung zu leiten. Er sprach ein ganz breites Schonisch, da er aus der Veberödregion stammte. Er war das genaue Gegenteil des gelassenen Gillis Jensen. Mit hochrotem Gesicht und rudernden Armen, als säße er in einem Kajak, hatte er sich der neuen Aufgabe angenommen. Aber sie waren die Energieausbrüche dieses Mannes, der im Übrigen eher aussah wie die personifizierte Trägheit, inzwischen gewöhnt.
Mårtensson und Pettersson stellten in ihrer Gegensätzlichkeit ein interessantes Paar dar.
Gillis Jensen hatte die Anweisung erhalten, während der einleitenden Phase bei den Vernehmungen behilflich zu sein, da der Zeitfaktor von großer Bedeutung war. Anschließend würde er sich wieder dem Fall Jan Bodén zuwenden. Immerhin hatten sie herausgefunden, dass nichts darauf hindeutete, dass jemand ihn nach der Ermordung in den Putzmittelraum verfrachtet hatte. »Rücklings erdrosselt« traf laut Gerichtsmediziner Ring immer noch zu.
Für das Gesundheitswesen war es nicht sonderlich erfreulich, dass dort, wo Leben gerettet werden sollten, Tote aufgefunden wurden! Jensen fand das bei allem Ernst fast schon komisch. Merkwürdigerweise hatte die Presse dieses Detail nicht ausgeschlachtet. Es hatte die üblichen riesigen Schlagzeilen in den Boulevardzeitungen gegeben, die aber sofort wieder in Vergessenheit geraten waren. Im Fernsehen hatten die Lokalnachrichten und sogar die abendlichen Hauptnachrichten einen Beitrag gebracht, aber dann war wieder Stille eingetreten. Es war nicht gelungen, dem Gesundheitswesen zu unterstellen, dass es mit Lebensgefahr verbunden sein könnte, das große Krankenhaus in Lund aufzusuchen. Denn die Menschen waren allzu sehr auf das Gesundheitswesen angewiesen. Außerdem ließen sie sich wohl auch einfach nicht jeden Bären aufbinden.
Aber es war gelungen, die Schwester der HNO-Klinik ausfindig zu machen, die eine Tasche mit einem Necessaire und Unterwäsche hinter einem Stuhl auf dem Gang gefunden und im Schwesternzimmer deponiert hatte. Von dort war die Tasche dann verschwunden. Die Schwester war auf der ersten Seite von Kvällsposten abgebildet
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