Verdacht auf Mord
weiteren Schäden auftreten. Sie hat auch einen dünnen Plastikkatheter im Kopf, der mit einer Maschine verbunden ist, die den Stoffwechsel im Gehirn kontrolliert. Epileptische Anfälle, sie hatte glücklicherweise noch keinen, und Fieber führen zu erhöhtem Stoffwechsel, und dabei können Zellen absterben, und das will man natürlich unbedingt verhindern.«
Ester meinte, Cecilia bekäme wohl Antibiotika und Antiepileptika, und Veronika nickte. Es fiel ihr leichter, sich mit jemandem zu unterhalten, der sich auskannte, dem man nicht alles erklären musste, und deswegen erzählte sie auch mehr, als sie das unter anderen Umständen getan hätte.
»Nach einer Woche lassen sie sie langsam aus der Narkose aufwachen. Anschließend kommt die Rehaklinik.«
»Aber das Ganze kommt wieder in Ordnung, und das ist das Wichtigste. Und Cecilia ist sehr stur und fit«, warf Ester zuversichtlich ein.
Veronika nickte. Cecilia war immer lebhaft gewesen. Ein energisches Kind.
»Ich würde Sie gern noch etwas fragen«, sagte sie dann und faltete ihre Papierserviette zusammen, während sie nach den richtigen Worten suchte. »Vielleicht ist das eine seltsame Frage. Aber war Cecilia … unglücklich, als das hier passierte?«
Ester hatte lange und glatte Wimpern. Sie schaute auf ihre Hände.
»Nein, soweit ich weiß, nicht. Auf unserer Party schien sie ihren Spaß zu haben. Sie freute sich über die neue Wohnung. Wer hätte sich nicht darüber gefreut? Viele Studenten müssen dauernd umziehen. Erst nach Jahren bekommt man von der kommunalen Wohnraumverwaltung eine Wohnung. Cecilia hatte gerade alle ihre Sachen in die Wohnung geschafft. Karl hatte ihr dabei geholfen.«
»Kennen Sie Karl?«
Ester nickte.
»Wirklich nett, dass er ihr geholfen hat. Vielleicht kann ich mich bei Gelegenheit bei ihm bedanken.«
»Schon möglich«, meinte Ester.
Veronika wusste, was sie eigentlich wissen wollte. Nicht ob Cecilia unglücklich, sondern ob sie glücklich gewesen war.
Sie wünschte ihrer Tochter viel Glück.
Aber Glück ließ sich nicht für andere bestellen. Man konnte es ihnen nur von Herzen wünschen.
»Verdammt! Wo steckt Jan Bodén? Jetzt warte ich schon eine halbe Stunde. Ich will nach Hause.«
Doktor Ljungberg saß im Untersuchungszimmer der HNO-Klinik. Er nahm seine Brille ab und massierte die roten Abdrücke, die diese auf seiner Nase hinterlassen hatten. In der anderen Hand hielt er den Telefonhörer. Er sah müde aus.
»Keine Ahnung«, sagte Mats Mogren am anderen Ende. »Vermutlich ist er nach Hause gefahren. Er fand vielleicht, dass er jetzt weiß, was er wissen muss.«
»Na dann.«
Ljungberg legte auf, sagte der einzigen Schwester in Reichweite, der korpulenten Irene, sie solle Bodén, falls er noch auftauche, ausrichten, er könne ihn anrufen.
Dann ging er in die »Burschenkammer« unterm Dach, trank einen Schluck über Nacht abgestandenen Kaffee und alberte mit dem Arzt herum, der Nachtdienst hatte und der sich über den Stress und die Monotonie auslassen musste, die ihm jetzt auf der Notaufnahme bevorstanden. Dann zog er sich um, ging die Treppe hinunter, trat in den klaren Septemberabend und schwang sich auf sein Fahrrad. Er hatte fünfunddreißig Minuten Strampeln vor sich, bei denen er wieder zu sich kommen konnte.
Sechstes Kapitel
Dienstag, 3. September
K inder sind wirklich sehr unterschiedlich, dachte Kriminalkommissar Claes Claesson.
Er hatte einen weiteren halben Tag in der Kindertagesstätte Humlan hinter sich gebracht. Ella rannte dauernd rum, Petrus mit seinen großen braunen Augen hielt sich meist abseits, und der goldlockige Martin, bleich, kränklich wirkend und mit ständig laufender Nase, war recht weinerlich, fand Claes. Die Kindergärtnerinnen waren ebenfalls recht unterschiedlich. Am sympathischsten fand er Marie. Klara ging es vermutlich genauso. Marie war, auch wenn man es kaum laut zu sagen wagte, eine rundliche Dame, bei der die Rundungen richtig verteilt waren. Sie war fröhlich und energisch in einer geglückten Kombination, außerdem hatte sie Lachfältchen.
Er saß in Socken auf einem Kinderstuhl und hatte das Gefühl, sich am vollkommen falschen Ort zu befinden. Nicht nur, dass er es sich nie hätte träumen lassen, in einem Kindergarten zu arbeiten, sondern auch, dass er das Gefühl hatte, man hätte ihm den Wind aus den Segeln genommen, ihn angehalten, weil er vor allen anderen gestartet war. Also sah er ein – und versuchte dabei nicht zu gähnen –, dass er sich mehr an seinen
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