Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
Shinozaki gesehen, sondern an der Haltestelle davor, am Bahnhof Mizue. Außerdem sei das Gesicht anders gewesen. Wir haben ihr ein Foto vom Opfer gezeigt, und sie sagte, das Gesicht sei ihr runder vorgekommen.«
»Runder, soso.«
»Ja, Polizeiarbeit ist anstrengend, immer wieder gibt es Spuren, denen wir vergeblich nachgehen. Das ist anders als bei euch Physikern – wenn die Logik stimmt und eine Theorie sich anwenden lässt, ist die Sache erledigt«, sagte Kusanagi, während er mit seinen Stäbchen Kartoffelstückchen aus dem Eintopf herausfischte. Aber Yukawa reagierte nicht, sondern starrte, die Hände locker verschränkt, in die Luft. Kusanagi kannte diesen Blick und wusste, dass sein Freund tief in Gedanken versunken war. Schließlich tauchte er wieder auf und sah Kusanagi konzentriert an.
»Das Gesicht des Toten war zertrümmert, nicht wahr?«
»Ja, und die Fingerkuppen waren verbrannt. Jemand wollte wohl verhindern, dass er identifiziert wird.«
»Mit welchem Gegenstand wurde das Gesicht zerstört?«
Nachdem Kusanagi sich vergewissert hatte, dass niemand sie belauschen konnte, beugte er sich über den Tisch. »Wir haben nichts gefunden, aber der Mörder hat wahrscheinlich einen Hammer verwendet. Er hat mehrfach zugeschlagen. Kiefer und Zähne sind völlig zertrümmert. Ein zahnmedizinischer Vergleich scheidet also aus.«
»Mit einem Hammer, aha«, murmelte Yukawa, während er ein weichgekochtes Stück Rettich mit den Stäbchen zerteilte.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Kusanagi.
Yukawa legte die Stäbchen ab und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Nehmen wir an, die Frau aus dem Bento-Ladenwäre die Mörderin. Wie, glaubst du, hat sie den Tag verbracht? Du vermutest, dass sie gar nicht im Kino war?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Egal, lass mich nur eine vernünftige Theorie hören.« Yukawa machte eine auffordernde Geste und hob mit der anderen Hand das Bierglas.
Kusanagi runzelte die Stirn und befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen.
»Gut, es sind zwar nicht mehr als Vermutungen, aber ich denke es mir so: Die Bento-Verkäuferin – nennen wir sie der Einfachheit halber Frau A – verlässt um 18 Uhr ihren Arbeitsplatz. Von dort braucht sie zehn Minuten zu Fuß bis zum Bahnhof Hamamatsu. Mit der U-Bahn sind es weitere 20 Minuten bis Shinozaki. Von dort nimmt sie einen Bus oder ein Taxi und kommt gegen 19 Uhr am Tatort am Alten Edogawa an.«
»Und was macht das Opfer in dieser Zeit?«
»Das Opfer bewegt sich ebenfalls auf den Tatort zu. Es will sich dort mit Frau A treffen. Allerdings kommt es mit dem Fahrrad vom Bahnhof Shinozaki.«
»Mit dem Fahrrad?«
»Ja, wir haben in der Nähe der Leiche ein Fahrrad mit Fingerabdrücken des Opfers gefunden.«
»Wieso Fingerabdrücke? Ich dachte, seine Fingerkuppen seien verbrannt.«
Kusanagi nickte. »Wir konnten sie sicherstellen, nachdem die Identität des Opfers geklärt war. Ich hätte dir sagen müssen, dass die Fingerabdrücke auf dem Fahrrad mit einigen in dem Zimmer übereinstimmten, in dem das Opfer die Nacht verbracht hat. Aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Selbst wenn wir beweisen können, dass die Person, die das Zimmergemietet hat, auch das Fahrrad angefasst hat, heißt das noch immer nicht, dass sie auch das Opfer ist. Denn der Mann in dem Zimmer hätte ja auch der Mörder sein können und das Fahrrad verwendet haben. Möglich. Allerdings haben wir in dem Zimmer ein Haar gefunden, das mit dem Haar des Opfers übereinstimmt. Wir haben die DNA analysieren lassen, und sie stimmt überein.«
Yukawa grinste über den Eifer seines Freundes. »Aber nein, ich würde doch nie unterstellen, dass der Polizei ein Fehler bei der Identifizierung der Leiche unterlaufen ist. Mein Interesse gilt vor allem dem Fahrrad. Hatte das Opfer das Fahrrad am Bahnhof Shinozaki abgestellt?«
»Nein, aber …« Kusanagi erzählte Yukawa die Episode von dem gestohlenen Fahrrad.
Yukawa sah erstaunt aus.
»Demnach hat das Opfer das Fahrrad gestohlen, um zum Tatort zu fahren? Warum hat der Mann nicht einfach ein Taxi oder einen Bus genommen?«
»Ich finde das auch etwas seltsam. Allerdings haben unsere Nachforschungen ergeben, dass der Tote arbeitslos war und kein Geld hatte. Vielleicht wollte er sich das Geld für den Bus sparen.«
Yukawa verschränkte die Arme und schnaubte skeptisch. »Also gut, jedenfalls hat er es gemacht und sich dann mit Frau A am Edogawa getroffen. Bitte weiter.«
»Wahrscheinlich waren sie verabredet. Frau A kam etwas
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