Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
früher und versteckte sich. Ihr Ex-Mann erscheint, sie schleicht sich von hinten an, wirft ihm ein Seil über den Kopf und erwürgt ihn.«
»Moment!« Yukawa hob beide Hände. »Wie groß war das Opfer?«
»Ungefähr eins siebzig«, antwortete Kusanagi und widerstand dem Wunsch, unwillig mit der Zunge zu schnalzen. Er wusste bereits, was Yukawa als Nächstes fragen würde.
»Und Frau A?«
»Etwa eins sechzig.«
»Das heißt, er war zehn Zentimeter größer.« Yukawa stützte das Kinn in die Hand und grinste. »Du verstehst, was ich meine.«
»Es ist schwer, jemanden zu erdrosseln, der größer ist als man selbst. Und aus den Würgemalen an seinem Hals geht ganz klar hervor, dass die Schnur nach oben gezogen wurde. Aber das Opfer könnte gesessen haben. Vielleicht noch auf dem Fahrrad.«
»Nun ja, aber das ist eine ziemlich hinkende Erklärung.«
»Wieso?« Kusanagi schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Und dann? Hat sie ihn ausgezogen, ihm mit dem Hammer, den sie extra mitgebracht hat, die Visage zertrümmert und mit einem Feuerzeug die Fingerkuppen versengt? Am Ende hat sie noch die Kleider angezündet, und dann ist sie abgehauen? Und fertig.«
»Sie hätte es immer noch bis um neun Uhr nach Kinshicho schaffen können.«
»Ja, zeitlich schon. Trotzdem kommt mir das alles ziemlich konstruiert vor. Einige deiner Kollegen sind doch bestimmt anderer Ansicht, oder?«
Kusanagi verzog den Mund und trank dann sein Bier aus. Bevor er sich Yukawa wieder zuwandte, bestellte er bei der vorbeieilenden Bedienung eine weitere Runde. »Ja, viele sind der Meinung, eine Frau allein hätte das nicht geschafft.«
»Kein Wunder. Selbst wenn sie ihn überrumpelt hätte, wäre es schwierig für sie gewesen, einen Mann zu erdrosseln, dersich wehrt. Und gewehrt hat er sich sicher nicht zu knapp. Und wie hätte sie anschließend die Leiche wegschleppen sollen? Leider kann auch ich dein Szenario nicht unterstützen.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Ich bin ja selbst nicht überzeugt. Es ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten.«
»Das klingt, als hättest du noch ein paar andere Ideen. Sei nicht so, und erzähle mir von deinen anderen Hypothesen.«
»Viele sind es nicht. Die erste Vermutung geht davon aus, dass der Fundort auch der Tatort ist. Vorstellbar ist aber auch, dass der Mord anderswo stattgefunden hat, und die Leiche anschließend an den Fluss gebracht wurde. Davon gehen die meisten in meiner Abteilung aus. Ob Frau A nun die Mörderin ist oder nicht.«
»Das wäre eigentlich die nächstliegende Vermutung. Aber du hast sie nicht als erste vorgebracht. Aus welchem Grund nicht?«
»Ganz einfach. Frau A hätte das nicht bewerkstelligen können. Sie hat kein Auto. Sie kann nicht einmal fahren. Sie hätte keine Möglichkeit gehabt, die Leiche zu transportieren.«
»Ich verstehe. Das ist ein Punkt, den man nicht außer Acht lassen kann.«
»Und dann ist da noch die Sache mit dem Fahrrad. Möglicherweise soll es uns glauben machen, dass der Mord am Fluss stattgefunden hat. Allerdings hätte es keinen Sinn, die Fingerabdrücke darauf anzubringen. Und schon gar nicht, wenn man sich eigens die Mühe gemacht hat, die Fingerkuppen des Opfers zu versengen.«
»Das mit dem Fahrrad ist wirklich ein Rätsel. Aus mehreren Gründen.« Yukawa bewegte die Finger auf der Tischplatte, als würde er Klavier spielen. »Wäre es nicht sinnvoller, von vorneherein anzunehmen, dass ein Mann die Tat verübt hat?«
»Der Meinung sind auch die meisten meiner Kollegen. Aber ich denke trotzdem, dass Frau A etwas damit zu tun hat.«
»Du meinst, sie hatte einen männlichen Komplizen?«
»Wir sind gerade dabei, ihr Umfeld unter die Lupe zu nehmen. Immerhin hat sie in einem Nachtklub gearbeitet, das geht ja nun nicht ganz ohne Männerbekanntschaften.«
»Ich höre schon den wütenden Aufschrei der Bardamen im ganzen Land.« Yukawa grinste, trank von seinem Bier und wurde wieder ernst. »Zeig mir doch nochmal das Bild von vorhin.«
Kusanagi reichte ihm die Zeichnung des Opfers in der Kleidung, die man in der Nähe der Leiche gefunden hatte.
Yukawa sah sie sich an. »Warum der Mörder die Leiche wohl entkleidet hat?«, murmelte er.
»Um ihre Identität zu verschleiern. Der gleiche Grund, aus dem er auch Gesicht und Fingerkuppen unkenntlich gemacht hat.«
»Aber wäre es dann nicht besser gewesen, er hätte die Kleider mitgenommen? Die Zeichnung konntet ihr ja nur anfertigen, weil sein Versuch, die Sachen zu verbrennen, gescheitert
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