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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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und obendrauf haben sich zerknüllte Kassenbons, eine leere Chipstüte und Gläser angesammelt, die ich noch nicht weggeräumt habe. Sie hinterlassen Feuchtigkeitsringe. Verpackungsschnipsel und Papierchen sind auf den Boden gefallen.
    Wenn Dianne jetzt zurückkäme, würde sie ein schmutziges, unordentliches Haus vorfinden. Putzen gehört nicht zu meinen Hobbys, aber was für eine Freundin bin ich eigentlich, wenn ich ihr Heim so wenig respektiere?
    Ich nehme meine Jacke von der Sofalehne und hänge sie in der Küche an einen Haken. Die Sofas schiebe ich an ihren alten Platz an der Wand. Erwins Schuhe und Socken bringe ich nach oben.
    Im Bad und im Gästezimmer sieht es auch nicht besser aus. Der Badezimmerspiegel ist mit Zahnpastaspritzern übersät. Ich lasse Wasser in das Waschbecken ein und mache mich auf die Suche nach Allesreiniger.
    Den Lieferwagen, der im Schritttempo auf den Hof einbiegt, höre ich nicht.

34
    Das Aufräumen und Saubermachen des oberen Stockwerks hat mich keine Viertelstunde gekostet. Doch inzwischen hat sich das Wohnzimmer abgekühlt. Ich öffne den Ofen und lege zwei dicke Holzscheite auf die Schicht aus Asche und glimmenden Holzresten. Erwin hat mir gezeigt, was ich falsch gemacht habe: Das Feuer hat immer zu wenig Sauerstoff bekommen. Ich stochere im Rost herum, ziehe die Ascheschublade ein Stück heraus und schließe dann die Tür wieder. Sofort lodert das Feuer auf; durch die verrußten Scheiben sehe ich die Flammen am Holz lecken.
    Zu gleicher Zeit höre ich jemanden an der Hintertür rütteln, ungeduldig und heftig, als habe der Besucher nicht mit einer abgeschlossenen Tür gerechnet. Erwin?
    Dianne?
    Erwartungsvoll springe ich auf und eile in die Küche, aber noch bevor ich die Treppe erreicht habe, ertönt ein ohrenbetäubender Knall. Glasscherben fliegen durch die Luft und rutschen klirrend über den Fliesenboden bis weit ins Wohnzimmer hinein.
    Instinktiv lasse ich mich flach auf den Boden fallen. Zwei Männer kommen hereingerannt. Das Erste, was mir auffällt, sind ihre Masken: glänzende, rosa Schweinemasken mit dicken Wangen, einem Plastiklächeln und zwei starren Gucklöchern in gemalten Augen wie aus einem Comic-Heft. Die hochgezogenen Augenbrauen bewirken einen permanent erstaunten Gesichtsausdruck. Die Eindringlinge tragen schmuddelige Jeans und Armeekleidung.
    »Sie ist es!«, höre ich einen von ihnen auf Französisch rufen.
    »Mitnehmen!«, ruft der andere, ebenfalls auf Französisch, aber mit ausländischem Akzent. Er packt mich an den Haaren, als sei ich eine Puppe, und zieht mich hoch auf die Füße.
    Seltsamerweise muss ich an das Pfefferspray denken. Es steht auf der Anrichte. Das billige Ersatzdöschen liegt in der Besteckschublade.
    Gerade, wenn ich es am nötigsten bräuchte, trage ich es nicht bei mir.
    »Vorwärts! Raus hier!«
    Der Ausländer hält etwas Dunkles in der Hand, einen Knüppel oder eine Taschenlampe. Ich kann es nicht richtig erkennen, es geht sowieso alles zu schnell. Er holt mit dem Gegenstand aus und schlägt mir damit auf den Kopf.
    Durch den Schlag beiße ich mir auf die Zunge. Tränen schießen mir in die Augen. Noch nie habe ich solche Schmerzen verspürt, es fühlt sich an, als ob mir der Schädel platzt. Das war’s, geht es mir durch den Kopf, etwas ganz Schlimmes wird mit mir passieren. Unwillkürlich öffne ich den Mund, bringe aber keinen Laut hervor.
    » Bouger – beweg dich!«
    Meine Beine wollen nicht. Es ist, als gehörten sie nicht mehr zu mir – vollkommen schlaffe, nutzlose Gliedmaßen.
    Gelähmt vor Angst.
    »Wird’s bald, blöde Kuh!«, ruft der Ausländer und tritt mir mit voller Wucht gegen das Schienbein.
    Der Mann mit der Waffe öffnet die Vordertür. »Pack sie an den Schultern!«, blafft er.
    Im nächsten Moment schwebe ich über dem Boden. Vier Hände heben mich hoch und tragen mich hinaus, die kleine Eingangstreppe hinunter, über den Hof.
    Draußen steht ein geschlossener Lieferwagen. Grün, alt, dreckig.
    Mir bleibt vor Angst fast das Herz stehen. Ich werde hysterisch, trete wild um mich, krümme den Körper und strecke ihn wieder, versuche, meine Schultern loszumachen.
    Aber sie verlangsamen nicht einmal ihre Schritte. Im Gegenteil: Mein Gezappel spornt sie noch an. Ich werde in den Laderaum geworfen.
    Sofort springen sie hinterher. Einer von ihnen hält mich unter Kontrolle, indem er mir den Fuß zwischen die Schulterblätter stemmt. Der andere packt mich trotz meiner heftigen Gegenwehr an den Handgelenken

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