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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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ein paar Schritten ist Chevalier bei mir. Drohend beugt er sich über mich. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzen mich an. Er drückt mir den Zeigefinger auf die Brust. »Ich brauche deine Zustimmung nicht, Mademoiselle Lambrèk, um dieses Haus vom Keller bis zum Dach zu durchsuchen. Genau genommen kann ich dich wegen Einbruchs verhaften.«
    Perplex weiche ich zurück.
    Er zeigt auf die Treppe wie ein Vater, der sein Kind zurechtweist. »Ist sie da oben?«
    Mir fehlen die Worte. In der Abgeschlossenheit des Wohnzimmers mit dem tickenden Ofen starren wir einander an und lauschen den scharrenden Schritten auf dem Dielenboden im oberen Stockwerk.
    »Nein. Das ist mein Freund«, bringe ich schließlich hervor.
    »Ihr Freund?«
    »Ja. Das Motorrad gehört ihm.«
    Als hätten wir es so abgesprochen, kommt in dem Moment Erwin die Treppe hinunter. Seine Haare sind noch feucht, und sein T-Shirt ist zerknittert, weil es zusammengepresst im Rucksack gelegen hat.
    »Das ist Monsieur Chevalier von der Kripo«, sage ich auf Niederländisch. Dann, auf Französisch: »Mein Freund, Erwin Veltkamp aus den Niederlanden.«
    Erwin nickt Chevalier zu und schüttelt ihm die Hand. Er ist ein paar Zentimeter kleiner als der Polizist.
    »Sie sind der Freund von Mademoiselle Lambrèk?«
    Erwin schüttelt entschuldigend den Kopf und lächelt. » Sorry, I don’t speak French.« Er sieht mich an. »Was will der denn von dir?«
    »Er glaubt, dass ich weiß, wo Dianne ist.«
    »Wie bitte? Das ist doch lächerlich!« Erwin räuspert sich. » Listen, Sir. She doesn’t … «
    Mit einer ärgerlichen Geste schneidet Chevalier Erwin das Wort ab und wendet sich an mich. »Ihr Freund spricht kein Französisch?«
    » Pas du tout  – kein Wort.«
    » Bon. « Er strafft den Rücken, lässt den Blick misstrauisch durchs Zimmer schweifen und sieht dann wieder mich an. »Ich behalte dich im Auge.« Bevor ich antworten kann, dreht er sich um und geht.
    Ich höre die Hintertür zuschlagen.
    »Was sollte das denn?«, fragt Erwin.
    »Offenbar glaubt die Polizei, dass ich weiß, wo Dianne sich aufhält. Die Leute jagen mir richtig Angst ein. Der Polizist, der gestern hier war, hat sich auch schon so merkwürdig verhalten.« Ich sehe Erwin ins Gesicht. »Um ehrlich zu sein: Die ganze Situation beunruhigt mich. Angenommen, Dianne taucht nicht wieder auf und die Polizei denkt, ich hätte etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?«
    Erwin nimmt mich in die Arme und drückt mich an sich. Er riecht nach Chlorwasser und Shampoo. »Beruhig dich.«
    Jetzt erst merke ich, dass ich am ganzen Körper zittere.
    »Ist er deswegen gekommen?«, fragt Erwin. »Um dir Fragen über Dianne zu stellen?«
    Ich nicke.
    »Du hast sie nicht einmal als vermisst gemeldet. Warum interessieren die sich plötzlich für sie?«
    »Vielleicht hängt es mit den Morden zusammen, von denen ich dir erzählt habe. Der andere Polizist, dieser Blondy, hat durchblicken lassen, dass sie möglicherweise von Ausländern mit extremistischen Überzeugungen verübt wurden.«
    »Du meinst Umweltaktivisten?«
    »Ja. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Blondy einen Köder ausgeworfen hat, um meine Reaktion zu testen. Und der Kerl von eben hat angedeutet, er fände es seltsam, dass ich einfach so in Diannes Haus wohne. Offenbar macht mich das verdächtig.«
    »Es ist ja auch ein bisschen komisch.«
    Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ach, findest du?«
    »Ich glaube nicht, dass ich einfach so in das Haus eines Freundes einziehen würde, wenn er nicht da wäre.«
    Dasselbe hat dieser Chevalier gesagt. »Dianne ist nicht irgendeine Freundin. Sie ist wie meine Schwester.«
    »Auch bei meiner Schwester würde ich mich nicht ohne Weiteres einnisten, wenn sie nicht vorher zugestimmt hätte.«
    Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. Es hat keinen Sinn, weiter über dieses Thema zu diskutieren. »Ich hoffe nur, dass sie wiederkommt«, sage ich leise und lege meinen Kopf an seine Brust.
    »Bestimmt taucht sie heute Abend oder morgen wieder auf. Gesund und munter, sich keiner Schuld bewusst. Wetten?«
    »Meinst du?«
    Er nickt entschieden.
    »Trotzdem werde ich dieses ungute Gefühl nicht los!«
    Erwin fasst mich an den Schultern und küsst mich auf die Stirn. »Du bist ein lieber Schatz, Eef, aber du machst dir zu viele Gedanken.«

33
    Vögel fliegen zwitschernd vom Hof auf und lassen sich im sumpfigen Maisfeld nebenan nieder. Ich stehe vor dem Haus und recke mich in der Sonne. Sie scheint bemerkenswert intensiv

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