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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Dianne vor mir.«
    »Hast du die Polizei informiert?«
    »Nein, ich konnte nicht. Dianne ist fast hysterisch geworden.«
    »Warum?«
    »Sie sagte irgendetwas von Beweismaterial, das sie erst abholen müsse.«
    »Beweismaterial?«
    Erwin zuckt mit den Schultern. »Irgendeine Waffe. Dieses Chaos wächst mir allmählich über den Kopf, Eva. Deine Freundin tickt nicht richtig, sie ist gefährlich.«
    Die Antwort: Ach, das ist halb so wild, liegt mir auf der Zunge, aber ich sage nichts. Denn nichts ist halb so wild.
    »So, mir reicht es«, höre ich ihn sagen. »Ich glaub, ich spinne, dass ich hier immer noch rumstehe. Wir fahren.«
    »Nein.«
    »Ich will hier weg!«, erwidert er. »Deine Freundin kann mir gestohlen bleiben, ich habe weder etwas mit ihr noch mit diesem ganzen Schlamassel hier zu schaffen.«
    »Nur noch einen Augenblick! Dianne hat mich gerettet, ich kann sie doch nicht …«
    Peng!
    Entsetzt sehen wir uns an.
    Erwin spricht aus, was ich denke: »Das kommt aus dem Wald.«
    »Ganz in der Nähe«, flüstere ich.
    Im nächsten Moment löst sich ein schwarzer Schatten aus der Dunkelheit rund um die Pforte. Ich höre lautes Keuchen, sehe, wie die Gestalt sich nähert.
    »Dianne!« Ich reiße mich aus Erwins Griff los und renne auf sie zu. Sie kann sich kaum auf den Beinen halten. Ich überlege keinen Augenblick und ziehe ihren Arm um meine Schultern, um sie zu unterstützen.
    Erwin nimmt sie mir ab, hebt sie hoch und trägt sie im Laufschritt zum Auto. »Mach die Tür auf!«
    Ich reiße die hintere Tür auf, lasse mich auf den Rücksitz fallen und rutsche durch, um für Dianne Platz zu machen. Erwin wirft sie fast zu mir herein. Ich ziehe ihre Füße nach, und Erwin knallt die Tür zu.
    Peng!
    »Au! Verdammt!« Fluchend springt Erwin hinter das Steuer. Er startet den Motor und lenkt das Auto über den holprigen Waldboden auf den Asphalt.
    Peng! Peng!
    Dzeng!
    »Duckt euch!«, ruft Erwin in panischer Angst. »Haltet die Köpfe unten!«
    Ich werfe mich nach vorn über Dianne, die Augen fest geschlossen, während Erwin den Motor aufheulen lässt und wir tüchtig durchgeschüttelt werden. Ein letzter Satz, die Räder greifen, und Erwin gibt richtig Gas.
    Er schreit die Angst aus sich heraus und flucht ununterbrochen.
    Ich richte mich auf, halte mich an der Rückenlehne des Beifahrersitzes fest und werfe einen Blick durch die Heckscheibe. Wir rasen Schwindel erregend schnell dahin, der Asphalt und die Bäume glühen rot im Licht der Rückscheinwerfer.
    Die Straße hinter uns ist verlassen.
    »Bist du verletzt?«, frage ich, helfe Dianne auf und stütze sie gegen die Rückenlehne.
    Stöhnend sinkt sie wieder nach vorn. Ihr Rucksack ist im Weg.
    Ich löse die Gurte. Ihre Waffe, die Jagdflinte, die sie eben bei sich trug, hat sie nicht mehr. Ich ziehe ihr den Rucksack vom Rücken und lege ihn auf den Wagenboden. Er enthält etwas Schweres.
    Wieder helfe ich Dianne auf. Sie sinkt seitlich gegen die Tür. Ihre Augen sind halb geschlossen, und ihr Kopf schlägt in jeder Kurve der gewundenen Straße hin und her.
    Ich nehme ihr Gesicht in beide Hände. Dann erst rieche ich den süßlich-metallischen Geruch, der sie umgibt, und sehe den dunklen Fleck auf ihrem Bauch. Vorsichtig berühre ich die Stelle. Sie ist nass und klebrig.
    Dianne stöhnt. »Er hat mich getroffen«, flüstert sie. »Ich dachte, er wäre tot. Ich dachte wirklich …« Sie hustet und atmet einmal tief durch. »… ich hätte das Schwein erwischt.«
    »Wen?«
    Keine Antwort.
    »Wer hat dich angeschossen, Dianne?«, wiederhole ich. »Wer hat dir das angetan?«
    »Hugo. Hugo Sanders.«

40
    »Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen«, rufe ich Erwin zu. »Sie ist verletzt!«
    »Aber ich habe keine Ahnung, wo wir sind!«
    Ich zwänge mich mit den Knien auf die Mittelkonsole, reiße das Handschuhfach auf, hole das Navigationsgerät heraus und ramme den Anschluss in den Zigarettenanzünder. Quälend langsam werden die Funktionen gestartet. Mit zitternden Fingern wähle ich »Wichtige Einrichtungen« und dann »Krankenhäuser« aus. Das Gerät findet nur eines. Ich bestätige.
    »Gib her.« Erwin nimmt mir das Navi ab und heftet es an die Windschutzscheibe, ohne dabei vom Gas zu gehen. Wie gebannt starrt er auf die Straße, mit gerunzelter Stirn, als könne er das Auto allein durch seine Willenskraft beschleunigen.
    Ich lasse mich wieder auf den Rücksitz fallen, nehme Diannes Hand und streichle ihr nervös über die Haare. »Dianne? Hörst du mich? Halte durch.

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