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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Hugo, das Orakel von Haren, ist nicht bloß ein Aktivist, sondern ein Mörder. Ein gefährlicher Irrer. Ich habe ihn nie leiden können, mit seinem fanatischen Blick, seiner Arroganz und seinen drastischen Lösungen für alle möglichen Probleme dieser Welt.
    Allmählich dämmert es mir, wie es sich in Wirklichkeit verhält. Warum habe ich es nicht kommen sehen? Warum habe ich nicht früher erkannt, wie gefährlich dieser Mann ist und welchen unglaublich starken Einfluss er auf Dianne ausübte?
    Die Puzzleteile dieser unheilvollen Liebesgeschichte fügen sich jetzt rasch zu einem Bild zusammen.
    »Den ersten Mord hat er an einem Nerzzüchter in Dänemark verübt«, fährt Dianne fort. Ihre Stimme klingt noch immer sehr leise, aber erstaunlich klar. »Danach hat er einen flämischen Hundehändler umgebracht. Kurt hat ihm dabei geholfen.«
    Ich denke an den Entführer mit dem deutschen Akzent. »Kurt?«
    »Kurt Wesemann. Ein Psychopath. Hugos bester Freund.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »In der Hölle.« Ein bitteres Lächeln erscheint auf ihrem schmerzverzerrten Gesicht. »Kurt ist tot.«
    »Hast du …?« Ich muss blinzeln, weil plötzlich von draußen helles Licht hereinfällt.
    Wir durchqueren ein Dorf. Rechts und links stehen parkende Autos und Straßenlaternen, die das Innere des Autos mit ihrem orange-rosafarbenen Schein erhellen. Fassaden von Häusern und Geschäften huschen vorbei.
    »Die Hälfte haben wir hinter uns«, höre ich Erwin sagen. Eine Stimme aus einer anderen Welt. »Wie geht es euch dahinten?«
    Ich betrachte Dianne, die noch immer schwer atmet und tief auf dem Sitz hinuntergerutscht ist. Die Wunde klafft in ihrem Unterleib. Ich sehe das Loch in der dunklen Jacke, genau neben dem Reißverschluss. Ringsherum ist alles blutdurchtränkt bis hinunter auf ihre Jeans. Ihre Hände sind voller rostbrauner Flecken.
    »Sie verliert viel Blut«, antworte ich.
    »Kannst du die Blutung nicht stillen? Die Wunde abbinden?«
    Ich traue mich nicht. »Ich wüsste nicht wie, Erwin.« Verzweifelt starre ich das Loch in der Jacke an.
    »Drück doch drauf, unternimm irgendwas, verdammt noch mal!«
    »Nein. Am Ende mache ich irgendetwas falsch und verschlimmere ihren Zustand noch.«
    Er brummt etwas Unverständliches und rast mit hundertvierzig Sachen wieder aus dem Dorf hinaus.
    Diannes Hand liegt klamm und feucht in meiner. Leise, aber immer noch deutlich, fährt sie fort: »Hugo sagt, Angst und Schrecken zu verbreiten sei die einzige Möglichkeit, etwas zu verändern. Er setzt auf den Schockeffekt. Keine Veränderung ohne Revolution.« Sie schließt die Augen und flüstert: »Und ich habe ihm geglaubt.«
    In beängstigendem Tempo jagen wir an einer Felswand entlang.
    Ich lege meinen Kopf gegen den von Dianne und starre auf die Straße vor uns. Sie verschwimmt hinter einem Tränenschleier.
    Ich würde Dianne am liebsten fragen, warum sie mir – und allen anderen auch – weisgemacht hat, dass es aus sei zwischen Hugo und ihr.
    Warum sie gelogen hat.
    Warum sie mich angelogen hat.
    Monatelang.
    Aber ich glaube, ich kenne die Antwort bereits.
    Sie war bis über beide Ohren verliebt, tief beeindruckt von Hugos Weltbild und seiner Energie. Ich konnte diesen Mann nicht ausstehen und habe nie einen Hehl daraus gemacht. Sie muss mich als Hemmschuh betrachtet haben. Als Hindernis.
    Unwillkürlich denke ich an den Nachmittag auf dem Krankenhausparkplatz zurück, an die Intensität, mit der Dianne mich ansah. Sie warf mir im Stillen meine Halbherzigkeit vor, in dem Glauben, dass man mit einer solchen Haltung niemals die Welt verbessern könne. Kurz darauf lernte sie Hugo kennen.
    Sie hat mich nicht ins Vertrauen gezogen, weil sie wusste, dass ich ihre Ansichten ablehnen würde. Sie hat sich für ihn entschieden.
    À la fin de la route tournez à gauche.
    »Und jetzt? Glaubst du immer noch an ihn?«
    »Nein.« Dianne transpiriert. Schweißtropfen stehen ihr auf der Stirn, ihre Haare sind verklebt. »Hugo ist vollkommen verrückt. Macht und Abenteuer törnen ihn an. Das Morden an sich. Deswegen haben sie ihn hierhergeholt, weil sie wussten, dass er und Kurt weitergingen als alle anderen.« Dianne schweigt einen Moment. Dann holt sie ein paar Mal Luft, mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Wir wollten ein Jahr bleiben. Wir wollten die Gen-Bauern angreifen, die Gänseleber-Produzenten, Zirkusse und Jäger.« Sie zuckt kurz zusammen, schließt die Augen. Dann sagt sie: »Die ganze Gegend ist das reinste Walhalla für sie.«
    »Wer hat

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