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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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mir durch den Kopf. Einen Lederkoffer, oder, besser noch: einen aus Metall, den ich wie eine Drogendealerin auf seinem Schreibtisch hätte aufklappen können. Doch der Inhalt dieser Plastiktüte ist für mich ebenso viel wert wie eine Drogenlieferung. Nein, wertvoller noch, weil unbezahlbar.
    Die Swegerman erscheint neben mir und fordert mich auf zu gehen. Mit einer knappen Handbewegung bringt Bosveld sie zum Schweigen.
    »Was soll dieser Überfall?«, fragt er mit unangenehm schriller Stimme, die nicht zu seinem Aussehen passt. Bosveld hat auffällig dicke Lippen und Lider, die wie Faltjalousien vor seinen Augen hängen.
    »Würden Sie sich das hier bitte einmal ansehen?« Ich ziehe den Papierstoß aus der Tüte und lege ihn vor ihn hin.
    Der Chefredakteur legt die flache Hand darauf. »Juffrouw …?«
    »Eva Lambregts. Ich habe bis vor Kurzem hier gearbeitet.«
    Mit beiden Händen nimmt er den Papierstapel und zieht ihn über die glatte Oberfläche seines Schreibtischs zu sich hin, sodass er links vor ihm liegt. Dann trommelt er mit den Fingern darauf herum. »Was steht da drin, Eva Lambregts, das einen Überfall wie diesen rechtfertigen würde?«
    Ich straffe den Rücken. Das habe ich im Journalistikstudium gelernt: Aufmacher zu formulieren. Auftraggeber und Chefredakteure werden den lieben langen Tag von festen und freien Mitarbeitern mit wilden Ideen und Vorschlägen für Beiträge überhäuft. Will man zum Zuge kommen, muss man mit wenigen Sätzen die Neugier der Leute wecken, sie für seine Pläne begeistern. Zeit zur Ausarbeitung bleibt noch genug, wenn der Auftrag erteilt ist.
    »Letzten Monat wurde ich in Frankreich von einer terroristischen Zelle entführt.«
    Bombenstarker Eröffnungssatz.
    »Am selben Tag wurde meine Freundin ermordet – erschossen. Der Mörder ist Niederländer. Er wurde von der französischen Polizei verhaftet, aber aus Mangel an Beweisen letzte Woche wieder auf freien Fuß gesetzt.«
    Jetzt eine Pause einlegen, die Spannung erhöhen.
    Ich zeige auf den Papierstoß. »Aber ich habe einschlägige Beweise gefunden. Der Täter hat außerdem weitere Morde verübt.«
    Bosveld mustert mich skeptisch. Noch kann er mich nicht richtig einschätzen und wartet weiter ab.
    »Der Täter ist inzwischen zurück in den Niederlanden«, fahre ich fort. »Er wohnt hier ganz in der Nähe. Seine Eltern sind die Besitzer von Wouthil Investments.«
    »Sanders? Reden Sie von den Sanders?« Bosveld greift nach einer Lesebrille, setzt sie auf die Nase und nimmt meine Unterlagen zur Hand. Stirnrunzelnd überfliegt er die erste Seite. Eine Weile lang sagt er nichts. Dann murmelt er: »Starke Überschrift … Spannendes Intro. Sie gehen ordentlich ran.« Er blickt von dem Text auf. »Können Sie Ihre Behauptungen auch beweisen?«
    Ich nicke voller Überzeugung. »Die ersten fünf Seiten enthalten den eigentlichen Artikel. Auf den übrigen Seiten finden Sie meine Quellenangaben und die Beweise. Sie können zur Kontrolle Kontakt mit der französischen Polizei und natürlich mit der Mutter meiner ermordeten Freundin aufnehmen. Namen und Adressen der Kontaktpersonen habe ich beigefügt.«
    Mit der Brille auf der Nasenspitze blättert er die Akte durch. »Aber das sind wichtige Neuigkeiten … Soll das vielleicht ein Scherz sein?«
    Mein Gesichtsausdruck genügt offenbar als Antwort, denn er vertieft sich schweigend wieder in meinen Artikel.
    Plötzlich runzelt er die Stirn und hält den Papierstapel in die Luft. »Ihre Freundin wurde letzte Woche bestattet, nachdem sie im Ausland ermordet wurde. Das an sich war schon eine Pressemeldung wert. Warum haben wir nichts davon gewusst?«
    Seine barsche Reaktion hätte mich unter anderen Umständen zornig gemacht. »Ihre Mutter wollte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es bekannt wurde«, antworte ich leise. »Sie befürchtete einen regelrechten Medienrummel, und das hätte sie nicht ertragen. Die Polizei hat darauf Rücksicht genommen.«
    »Und jetzt? Kann sie es jetzt ertragen?«
    »Ich habe gestern mit ihr gesprochen. Sie ist außer sich vor Wut. Seitdem Hugo Sanders freigelassen wurde, verlangt sie nach Gerechtigkeit.«
    Mit größerem Interesse liest er weiter. Annähernd zwei quälend lange Minuten später fragt er: »Haben Sie das selbst geschrieben, oder hat Ihnen jemand dabei geholfen?«
    »Ich habe alles selbst geschrieben.«
    »Wirklich?«
    Das Herz klopft mir bis zum Hals. Ist es nicht gut genug? Glaubt er mir überhaupt?
    »Was haben Sie bei uns

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