Verfault 2 xinxii
an einem Gartenzaun entlangstreifen und schien den Karrenlenker überhaupt nicht zu stören. Zuweilen ging auch ein Geistlicher voran und Angehörige der Toten folgten, die bitterlich weinten oder den Kopf gesenkt hatten. Es war ein perfides Schauspiel und Yanis konnte und wollte sich nicht daran gewöhnen.
Sobald sie die andere Seite der Seine erreicht hatten, wurde die Bebauung enger. Die Straßen waren schmal und von den späteren Prachtboulevards war kein bisschen zu entdecken. Wenigstens waren in diesem Teil der Stadt vermehrt Straßenlaternen vorhanden, von denen einige brannten, andere dagegen nicht. Wir bogen nach links in eine Gasse ab, deren Untergrund nur aus Matsch bestand, der die Karren unweigerlich abbremste. Die Häuser wirkten so schief und standen sich so knapp gegenüber, dass es aussah, als würden sich ihre Giebel berühren. Der Verwesungsgeruch war auch hier vorhanden und nahm nach jedem beschwerlichen Meter an Intensität nochmal zu. Schon sah ich unser Ziel, denn nur noch Schritte entfernt lag ein Acker, der irgendwann in der Vergangenheit zum Friedhof umfunktioniert worden war. Grabsteine waren keine zu erkennen, aber am Rand lagen ein paar einfache Holzkreuze und in der Mitte des Ackers erkannte man Grube, aus denen in regelmäßigen Abstand eine Leiche, oder Teile davon, nach oben geworfen wurden.
Yanis näherte sich einer Grube und Charles verdeutlichte ihm, die aufgestapelten Leichen auf den Karren zu laden. Dies stellte eine weitere Steigerung des Ekels dar, denn viele der Leichen, waren nur leicht verwest und aus jeder Stelle ihrer Körper krochen Fliegenmaden und Asseln hervor. Yanis zog eine Leiche an der halb aufgelösten Hose zu sich rüber und wagte gar nicht hinzusehen.
Charles wurde daraufhin wütend: »Mann! Du verschwendest meine Zeit! Pack die Leiche unter den Achseln und wirf sie auf den Wagen. Kümmre Dich nicht um das ganze Ungeziefer! Halt von mir aus die Luft an, aber greif Dir den verdammten Kerl! Er ist tot und wird Dir nichts anhaben. Verdammt!«
Yanis blickte in Charles rötlich gefärbtes Gesicht und vermied es, irgendwelche Widerworte zu geben. Charles war kein verständnisvoller Geselle des 21. Jahrhunderts und würde sicherlich handgreiflich werden, falls er nicht spurte. Er packte den männlichen Leichnam unter den Achseln, spürte Teile der Schulterknochen auf der einen und weiches Körpergewebe auf der anderen Seite. Er drehte seinen Kopf nach links und hievte den verwesenden Körper auf die Ladefläche. Plötzlich bemerkte er, etwas Glitzerndes aus dessen Hose fallen, das auf der Ladefläche des Karren landete. Es war unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um eine Münze handelte und Yanis hob sie auf. Es zeigte sich eine 5-Franc-Silbermünze, die aussah, wie frisch gepresst. Yanis nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte sie um. »Union et Force« war dort eingraviert und die Abbildung zeigte einen Mann mit zwei Frauen. Sie sah schön aus und bildete damit den krassen Gegensatz zu der Leiche, in deren Besitz die Münze war. Yanis war unsicher, was zu tun sei und rief Charles.
»Was denn schon wieder?«, erklang die mürrische Antwort.
»Ich habe etwas gefunden.«
»Charles schaute erst nur zu ihm hinüber, kam dann zu Yanis Karren und schaute auf die Münze.
»Ah. Da hat wohl einer Glück gehabt! 5 Franc sind eine Menge Geld. Du wirst noch reich werden.«, er lachte lauf auf und wollte sich wieder abwenden, als Yanis ihn ansprach: »Darf ich sie behalten?«
Charles grinste und entblößte seine schwarzen Zähne: »Natürlich! Was die Toten uns schenken, gehört uns. Dies ist ein unausgesprochenes Gesetz. Steck´ sie ein und verschwende das Geld nicht.«
Yanis nickte. Er schaute auf die Münze, wischte
Weitere Kostenlose Bücher