Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
Geröll um und versuche immer wieder, den Vorsprung der Truppe aufzuholen.
Doch der wird immer größer.
Ich habe nicht einmal ein Ziel vor Augen. Erst, als ich die Kuppe eines Hügels hinaufkraxle und elf Augenpaare mich anstarren, halte ich an, um nach Luft zu ringen.
Tako sieht mich mit seinen schwarzen Augen und seinem undurchdringlichen Blick an. „Ihr seid nicht zusammengeblieben! Zur Strafe den Berg da rauf!“
Die Jungen scheinen es geahnt zu haben; sie murren nicht, aber sie haben sich wenigstens für zwei Minuten ausruhen können. Ich hechle hinter ihnen her und ich weiß nicht, welche Strafen unser Trainer noch auf Lager hat, wenn ich auch dieses Mal nicht mitkomme.
Soll ich aufgeben?
Ich kämpfe für den Frieden! Diese Worte hallen in meinem Kopf und geben mir auf den nächsten Schritten Kraft, durchzuhalten. Immer und immer wieder sage ich sie mir auf, stur den Blick auf den Rücken meines Vordermanns gerichtet. All meine Gedanken konzentriere ich auf sie, damit ich nicht über meine armseligen Puddingbeine nachdenken muss – bis wir einen schmalen Felsvorsprung erreicht haben.
Takos unzufriedenes Gesicht sagt alles darüber aus, wie er es findet, dass ich diesmal durchgehalten habe. „Jetzt zurück!“
Er lässt uns keine Zeit, zu verschnaufen. Und wenn du meinst, abwärts zu laufen sei einfacher als hinauf, dann hast du dich getäuscht. Ich rutsche mehr, als dass ich laufe, und ein paar Mal knalle ich auf mein Steißbein. Meine Knochen brennen wie Feuer, die Füße schmerzen und die Waden scheinen zu reißen. Aber ich halte durch. Ich habe meinen Spruch im Kopf und beiße mir die Lippen blutig – bis sich ein Stein unter meinem Fuß löst und ich zur Seite wegknicke. Mit einer kleinen Gerölllawine kullere ich lustig an allen Python-Läufern vorbei.
Ich bin so erschrocken, dass ich den Schwung hinab nicht stoppen kann. Erst, als mich jemand an meinem Handgelenk in die Höhe reißt und ich Takos vor Wut verzerrtes Gesicht vor mir sehe, komme ich zur Ruhe. Er ist vorgesprungen und hat mich geschnappt, bevor ich im Berghang eine Lawine auslösen konnte.
Erschrocken sehen mich die Jungen an.
„Zurück in die Reihe!“, brüllt Tako mich an.
Ich bin so perplex, dass ich weiterlaufe, ohne an meine vielen Beulen zu denken. Denn unser Trainer ist direkt hinter mir, immer wieder treibt er mich an, indem er mir in den Rücken stößt. Ich renne schon so schnell ich kann – und noch ein bisschen mehr. Aber er bleibt ein dunkler, schrecklicher Schatten, der zustößt, wenn ich zu langsam bin.
Ich gebe alles und renne, als sei ein tollwütiger Wolf hinter mir – was in gewisser Weise ja auch stimmt. Dann kann ich meine Gummibeine nicht mehr überreden und breche einfach zusammen. Gekrümmt liege ich auf dem Boden, schwer atmend, bis ich mich sogar übergeben muss.
Tako steht mit dem Rücken zu mir, ihm scheint es egal zu sein, dass ich gerade sterbe. Er wartet ab, bis alle seine Jungs vor ihm stehen und sie sich in einer Zweierreihe formiert haben. Mühsam richte ich mich wieder auf und stelle mich hinten an.
Der Rückweg verläuft durch ein Sumpfgebiet, wir müssen durch knietiefen Schlamm waten, über umgefallene Baumstämme klettern oder durch sie hindurchtauchen. Ich spucke Dreck aus, würge und huste. Zur Strafe durchqueren wir den Parcours zwei weitere Male.
Als wir das Dorf der Python-Kämpfer wieder erreichen, sehen wir aus wie besudelte Schweine. Die Situation erinnert mich sofort an Lennon Dulack, meinen Englischlehrer auf der Erde, den ich mal beim Joggen getroffen hatte. Ich musste ihm damals beweisen, dass ich mehr draufhatte, als er dachte.
Unwillkürlich muss ich lächeln.
Ich fange Takos Blick auf und weiß zugleich, dass das jetzt falsch war. Aber er sagt nichts, sondern geht in eine der Hallen.
Dort gibt es eine Dusche, die mit Hilfe einer Pumpe bedient werden muss. Nacheinander duschen wir, die Jungs ziehen natürlich ihre Jacken aus und lassen sich das erfrischende Wasser über ihre nackten Oberkörper laufen. Als ich jedoch unter der Dusche stehe, starren sie mich an; selbst Lutha, der gerade die Pumpe bedient, scheint nicht mehr zu wissen, wie das geht. Überrascht schaue ich in die Runde. Mein T-Shirt klebt eng an meinem Körper und meine Hose sitzt ein bisschen tief, aber nicht zu tief. Scheinbar ist ihnen gerade bewusst geworden, dass ich ein Mädchen bin.
Tako muss die Stille gehört haben, denn einen Augenblick später steht er schon vor mir und brüllt mich an:
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