Verflucht sei Dostojewski
hierhergebracht, um sich von ihm zu entfernen, sich von ihm zu verabschieden, ohne ein Wort?
LEB WOHL, SUPHIA!
Und er nimmt einen tiefen Zug Haschisch, den er so lange wie möglich in den Lungen behält.
Leb wohl, Suphia! Du bist mit dem einzigen Geheimnis gegangen, das ich in mir hatte.
Leb wohl!
Noch zwei, drei Züge, dann verlässt er die saqichana .
Ich werde nie mehr herkommen. Ich werde mich in mein Zimmer einschließen, das düster ist wie ein Grab, ohne Ausdehnung und ohne Ausgang. Ich werde nicht mehr essen. Ich werde nicht mehr trinken. Ich werde mein Bett nicht mehr verlassen. Ich werde mich von einem nie endenden Schlaf davontragen lassen; ohne Bilder und ohne Gedanken. So lange, bis ich nichts mehr sein werde. Ein Nichts in der Leere, ein Schatten im Abgrund, eine unsterbliche Leiche.
Als er in seinem Hof ankommt, sieht er Dauod auf der Treppe sitzen. »Guten Tag, Rassul. Meine Mutter schickt mich, dich zu holen. Suphia geht es nicht gut. Sie hat sich in ihr Zimmer eingeschlossen und will niemanden mehr sehen.«
Sie ist es, die in meinen Abgrund gefallen ist.
Er rast die Stufen hinunter, überquert den Hof mit langen Schritten, rennt durch die Straßen. Außer Atem erreicht er das Haus, Suphias Zimmer. »Sie weint. Sie sagt nichts. Sie hat sich eingeschlossen …«, sagt ihre Mutter. Sie klopft an die Tür. »Suphia! Rassul dschan ist da.« Lange ist es still, dann dreht sich ein Schlüssel im Schloss. Die Mutter öffnet die Tür, lässt Rassul als Ersten eintreten.
Suphia kehrt zu ihrem Bett zurück, setzt sich, kauert sich zusammen, legt den Kopf auf die Knie. Das Schweigen ist drückend, die Mutter spürt, dass sie das Paar stört. Sie verlässt das Zimmer mit einem letzten, einem niederschmetternden Blick auf Rassul. Hat Suphia ihr alles gesagt?
Nein, das ist unmöglich. Suphia hütet das Geheimnis. Sie hütet es nicht nur, um mich zu schützen, sondern auch, um ihre Mutter zu schonen. Sie will meinen Abgrund nicht mit jemand anderem teilen. Aber sie darf nicht darin versinken, darf nicht leiden. Ich werde sie herausholen.
Er kniet sich neben sie und streichelt, nach kurzem Zögern, schüchtern ihre Hand.
Hab keine Angst, Suphia. Ich bin kein gewöhnlicher Verbrecher. Ich bin …
»Sie haben mich aus dem Mausoleum gejagt!«, sagt sie mit Grabesstimme. Verwirrt lässt er ihre Hand los. »Die Nachbarin von nana Alia war da. Als sie mich gesehen hat, ist sie zum Aufseher gegangen, und der hat mich rausgeworfen …« Warum … Das Wort lässt Rassuls Lippen erzittern; es tritt als Hauch heraus, als stiller Hauch, ohne Fragezeichen, ein stummer Schrei der Verzweiflung. Er braucht sich nicht zu wundern, wenn die Leute Suphia in Zukunft abschätzig anschauen, wie eine Prostituierte.
Sie weint.
Rassul spürt, wie ihn die Kräfte verlassen. »Ich bin unauffällig weggegangen. Ohne dir etwas zu sagen. Ich wollte nicht, dass du einen Aufstand machst«, sagt sie, als wäre Rassul dazu noch in der Lage.
Nein, Suphia, Rassul hat sich verändert. Schau ihn an. Er ist verloren, eingemauert in seiner jämmerlichen Wut.
Nein, so tief er auch gefallen sein mag, an seiner Würde hält er fest.
Dann los, Rassul, rühr dich!
Er springt auf und verlässt das Zimmer. Auf der Terrasse steht Suphias Mutter, dicht am Fenster, und dreht sofort den Kopf weg, als sie ihn sieht, um ihre Tränen zu verstecken.
Auf der Straße kein Schatten. Die Sonne sticht durch den Rauch, prallt mit der Allmacht des Mittags auf die Köpfe.
Rassul geht mit gesenktem Kopf drauflos. Gelangt zu seinem Haus, ohne zu wissen, wie. Das Zimmer stinkt entsetzlich, es ist der Käse.
Er hat keine Lust, ihn wegzuschaffen. Er greift zur Pistole, die auf dem Boden liegt. Er nimmt sie, überprüft das Magazin. Noch immer voll. Er steckt sie in die Tasche und verlässt das Zimmer.
Wohin geht er?
Nirgendwohin. Er geht. Er geht, wohin die Pistole ihn führt.
Dann muss er aufhören zu denken!
Er denkt nicht mehr. Er weiß nichts mehr.
Er sieht nur seinen Weg,
folgt nur seinem Schatten, den seine Füße treten,
sieht in kein Gesicht,
vernimmt kein Geräusch,
hört keinen Schrei,
erhascht kein Lachen.
Er geht.
Zählt seine Schritte.
Und jetzt bleib stehen, hier vor dem Schah-e-Do-Schamschera-Wali-Mausoleum!
Alles ist ruhig. Kein einziger Pilger oder Bettler mehr. Rassul betritt den Hof, nähert sich dem Grab. Der Rosenwasserduft überdeckt den Taubengeruch und den Schwefelgeruch der Gewehre.
Der Aufseher ist auf einer Bank im
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