Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
vermutlich immer viel zu früh erneuern. Ich habe überreagiert und ihn angefaucht.«
»Und er hat sie daraufhin beschimpft?«
»Er hat mich hysterisch genannt. Da habe ich plötzlich rotgesehen. Ich glaube, ich habe ihn einen verantwortungslosen Kretin genannt, der kein Hirn im Kopf hat, und dass man ihm keine Autos anvertrauen sollte, sonst würde es Tote geben.« Sie seufzte. »Das war völlig überzogen. Es tut mir leid. Ich hätte mich bei ihm entschuldigen sollen.«
»Sie dachten, er hätte sie angezeigt. Wieso?«
»Ich weiß, das ist unlogisch. Daniel war gar nicht der Typ dafür. Doch das war mein erster Gedanke, als Sie sich vorgestellt haben. Weshalb sollte sonst die Polizei wegen Daniel zu mir kommen?«
Gut, dann war das geklärt. Dühnfort erhob sich. Marlis Schäfer begleitete ihn in den Flur. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Die Gardinen an den Panoramascheiben waren zurückgezogen und gaben den Blick in den Garten frei. Dort stand ein sehniger Mann mit nacktem Oberkörper in der prallen Sonne und trieb bei dieser Gluthitze eine Spitzhacke Schlag für Schlag ins Erdreich, löste Gestein und Erdbrocken.
»Ihr Mann?«
Sie nickte. »Er legt den Badeteich an.« Mit beiden Händen strich sie die Haare straff aus dem Gesicht. »Das ist seine Art, mit Isas Tod fertig zu werden.«
An der Haustür reichte Dühnfort ihr die Hand. »Was Ihrer Tochter zugestoßen ist, tut mir leid. Wie hat Sascha eigentlich auf Isas Tod reagiert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das gewollt hat.«
Eine steile Falte erschien an ihrer Nasenwurzel. »Gar nicht. Er ist einfach abgetaucht. Wir wissen nichts über ihn. Nicht einmal, ob er wirklich Sascha heißt. Im Internet benutzt doch niemand seinen richtigen Namen. Das gehört verboten.«
20
Auf der Rückfahrt ging ihm das Gespräch nicht aus dem Kopf. Dieses Mobbing. Was war nur los? Woher kam diese überbordende Gemeinheit? Nicht nur in der Anonymität des Internets, auch im wirklichen Leben nahm die verbale Gewalt zu. Auf dem Mittleren Ring staute sich der Verkehr. Es wurde gehupt und zu dicht aufgefahren, gedrängelt und die Spur gewechselt, als ob man so schneller ans Ziel käme. Die Hitze machte die Leute entweder träge oder aggressiv.
Zwei Tote in derselben Clique. Ihm gefiel das nicht. Daher entschloss er sich, mit den Kollegen zu reden, die nach Isas Selbstmord vor Ort gewesen waren.
Im Büro angekommen, schaltete er die Espressomaschine ein und öffnete das Fenster. Während die Maschine aufheizte, suchte er in der Datenbank der Vorgangsverwaltung nach dem Selbstmord. Freitag, 24. Februar 2012. Notruf um 23.32 Uhr. Suizid in Unterhaching. Ann-Kathrin Linhardt und ihr Kollege Uwe Dernent waren damals im Einsatz gewesen. Dühnfort wählte Ann-Kathrins Nummer. Sie war im Haus und hatte in einer halben Stunde Zeit für ihn.
Inzwischen braute er sich einen Doppio mit dem bei Supremo erstandenen Espresso. Schwarz und ölig lief der jamaikanische Arabica in die vorgewärmte Tasse. Ein Löffel Dark Muscovado Sugar dazu, und der Nachmittag war gerettet. Er schloss die Augen, während er dem Geschmack nachspürte und die belebende Wirkung des Koffeins sich zu entfalten begann. In der Schublade lag eine angebrochene Tafel Schokolade. Noir mit 85 Prozent Kakaoanteil. Er holte sie hervor und brach eine Rippe ab.
Derart gestärkt suchte er Ann-Kathrin auf. Seit drei Monaten gehörte sie zur MK von Moritz Russo und war so etwas wie Dühnforts personifiziertes schlechtes Gewissen. Jedenfalls was die Fitness betraf. Sie trainierte dreimal pro Woche im Fitnessstudio. An den anderen Tagen absolvierte sie Ausdauertraining in Form von Joggen, Schwimmen, Radfahren. Diverse Stadt-Marathons gehörten ebenso zum festen Repertoire ihrer sportlichen Aktivitäten wie neuerdings Triathlon-Wettbewerbe, während seine Fitness hauptsächlich auf guten Vorsätzen gründete. Ihm fehlten einfach die Disziplin und Leidenschaft dafür. Er war nun mal kein Asket, keiner, der seinen Körper knechtete und zu Höchstleistungen antrieb. Er verwöhnte ihn lieber mit gutem Wein und gutem Essen, ein wenig Schokolade und natürlich dem regelmäßigen Schub Koffein.
Er klopfte an und trat in Ann-Kathrins Büro. Sie saß vorm Fenster, die Füße auf das Fensterbrett gelegt, kaute auf einem Kuli und blätterte in einer Akte. Turnschuhe, Jeansrock, schwarzes Funktionsshirt. Sie sah stets so aus, als ob sie sich innerhalb einer Sekunde fürs Training bereitmachen könnte. Als sie ihn hörte,
Weitere Kostenlose Bücher