Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
fragen?«
Die Haltung wurde abwehrend. »Sicher.«
»Daniel hat Mika eine Handtasche geschenkt, die er sich nicht leisten konnte. Wissen Sie, woher er das Geld dafür hatte?«
»Nicht durchs Dealen, wie Sie glauben. Ist doch so?«
»Ich frage mich einfach, wie er sie bezahlen konnte.«
Phillip verzog den Mund. »Er hat mir die Kohle bei einer Partie Poker abgenommen.« Beide Hände verschwanden in den Hosentaschen, die Schultern stiegen hoch. »War es das?«
»Eigentlich schon.« Dühnfort holte den Autoschlüssel hervor. »Daniel war Ihr bester Freund. Sie scheinen seinen Tod ziemlich gelassen zu nehmen.«
»Könnte sein, dass der Schein Sie trügt.« Die Lippen wurden zu einem hellen Strich.
»Sie haben keine Vermutung, wer ihn erschossen hat? Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Früher mal war Daniel mein bester Freund. In der Grundschule und als wir noch im selben Verein Fußball gespielt haben. Seit dem Abi haben wir uns nicht mehr so häufig gesehen. Wegen Drogen wurde er jedenfalls nicht umgebracht. Da versucht jemand, Sie zu linken.«
»Was könnte dann dahinterstecken?«
»Keine Ahnung.« Phillip zuckte mit den Schultern. »Es gibt doch solche kranken Typen, die irgendwen abknallen. Einfach so. Aus Lust am Töten. Haben Sie daran schon gedacht?«
Die legen aber keine falschen Spuren. Die kennen sich im Vorleben ihres Opfers nicht aus. Die suchen tatsächlich einen Unbekannten aus, mit dem sie nichts verbindet. Einen anonymen Menschen, der zum Objekt wird.
»Natürlich«, sagte Dühnfort. »In diesem Fall können wir das ausschließen. Der Täter kannte Daniel.«
Phillip betastete seinen Kiefer. »Wenn Sie sonst keine Fragen haben …« Er wies aufs Haus. »Ich war grad beim Zahnarzt und würde jetzt gerne eine Tablette einwerfen. Die Spritze lässt nach.«
Dühnfort ging zu seinem Wagen. Er ließ die Fenster herunter und fuhr los. Am Ortsausgang passierte er ein Hinweisschild nach Mariaseeon. Das Dorf lag nur wenige Kilometer von Unterhaching entfernt. Automatisch bog er ab.
Die Drogenspur gefiel ihm nicht. Normalerweise traute er seiner inneren Stimme. Doch diesmal konnte sie sich nicht entscheiden. Falsche Fährte? Oder dealte Daniel doch? Wer hatte den Jungen in die Baustelle gelockt? Dühnfort griff zum Handy und rief Buchholz an, um nach der DNA zu fragen.
»Wir haben sie an den Kippen isoliert. Kein Treffer in der Datenbank. Also nicht einschlägig vorbestraft. Männlich. So viel kann ich sagen.«
Er dankte Buchholz. Die vorbeiziehende Landschaft wurde hügelig. Gerstenfelder wiegten sich sacht im Wind. Die Alpenkette verschwamm im milchig blauen Dunst des Sommerhimmels. Eher eine Ahnung, eine Vision, als Manifestation. Hoch oben in diesem unwirklichen Flirren zog ein Turmfalke seine Kreise. Jenseits eines Waldgürtels reckte sich der Zwiebelturm der Klosterkirche ins Blau. Dühnfort erreichte Mariaseeon. Er durchquerte den Ort und fuhr zum See hinunter. In der Nähe von Agnes’ Haus parkte er, steckte sein Handy ein und ging Richtung Forst.
Vor zwei Jahren hatten sie hier einen Fall gehabt, der mit einer Entführung begonnen und mit zwei Morden geendet hatte. Dabei hatte er Agnes kennengelernt und sich in sie verliebt.
An der Weggabelung bog er in den Wald ein. Die Luft wurde kühl. Ein leichter Wind trug Badelärm vom See herüber. Wenige Minuten später umfing ihn die Stille des Waldes. Ein leises Raunen der Blätter. Der Duft nach Harz und Moos, nach Himbeeren und Gräsern. Ab und zu knackte ein vertrockneter Zweig unter seinen Schritten. Nach zehn Minuten erreichte er die Wegbiegung, hinter der die Lichtung lag.
Damals hatte dort eine Kapelle gestanden. Ein Bauer aus dem Dorf hatte sie vor über hundert Jahren als Dank für seine wundersame Errettung aus einem Unwetter errichten lassen. Agnes war dort von einem Täter überfallen worden, der die Dorfbewohner im Lauf der Wochen in Panik versetzt hatte. Irgendwie war es ihr gelungen, sich zu befreien. Doch dabei war ein Feuer ausgebrochen und die Kapelle ein Raub der Flammen geworden.
Als Dühnfort nun die Lichtung erreichte, war er auf den Anblick einer Ruine gefasst. Doch da stand sie. Die Marienkapelle. Weißer Rauputz, ein Türmchen mit Zwiebelhaube, ein Kreuz auf der Spitze. Man hatte sie wieder aufgebaut. Dühnfort tastete die Regenrinne ab und fand den Schlüssel dort, wo er auch damals gelegen hatte.
Das Licht drang nur spärlich durch die vergitterten Fenster. Dämmerung und ein muffiger Geruch umfingen ihn. Er setzte
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