Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
sich. Es war Zeit, mit einem Kapitel seines Lebens abzuschließen. Deshalb war er wohl hierhergefahren. Agnes. Er hatte sie geliebt. Eigentlich vom ersten Moment an, als sie ihn beinahe angefahren hatte, mit ihrem Mountainbike. Ihre Schönheit, vor allem aber ihre Stärke, derer sie selbst sich nicht bewusst war. Ihre Verletztheit, die ihn hatte stark sein lassen. Ihre Unabhängigkeit. Die Art, wie sie lachte, wenn sie mal lachte. Dieses Undefinierbare, das einen zu einem Menschen hinzog und sich selten in Worte fassen ließ. Es war schon lange vorbei. Dieses Kapitel lag hinter ihm. Als er nun in sich hineinhorchte, fühlte er kein Bedauern. Nur Dankbarkeit für ein paar wunderschöne Monate. Und Freude auf das, was vor ihm lag. Sein Leben mit Gina.
Gina, die so voller Lebenslust war und mit ihrer flapsigen Art ihre Gefühle zu überspielen versuchte. Er sah sie dennoch, und sie wusste das. Er liebte es, sich wortlos mit ihr zu verständigen. Seiner Maulfaulheit , wie Gina das mal genannt hatte, kam diese Art der Kommunikation zugute. Er war keiner, der sein Herz auf der Zunge trug, kein Mann der großen Worte. Er liebte ihre Spontaneität, ihren schelmischen Blick, ihre dunklen Augen, jedes ihrer kleinen Speckröllchen und die Leichtigkeit, die sie in sein Leben getragen und so die Einsamkeit daraus vertrieben hatte. Dass sie nun zusammen wohnten, erschien ihm wie ein kleines Wunder.
31
Dühnfort kehrte zum Wagen zurück. Doch er fuhr noch nicht los. Das Gespräch mit Phillip ging ihm durch den Kopf. Eine Bemerkung, die er gemacht hatte. Nicht durchs Dealen, wie Sie glauben. Ist doch so? Abwartend hatte Phillip ihn gemustert. Beinahe, als ob er sich vergewissern wollte, dass die Polizei dieser Fährte nicht folgte. Er rief sich Phillips Reaktion auf seine Antwort ins Gedächtnis. Kurz angebunden und erleichtert. Plötzlich war es da: ein Gefühl von Zweifel. Er rief Alois an. »Hast du Zeit, dir Phillip Eckel mal genauer anzusehen?«
»Kein Problem. Weshalb?«
Dühnfort erklärte es ihm.
»Denkst du, er und Daniel hatten gemeinsam was am Laufen?«
»Möglich. Hast du inzwischen Daniels Lieferanten von damals ausfindig gemacht?«
»Ich bin dabei.«
»Gut.« Er verabschiedete sich und sah in den blauen Himmel. Die vertraute Unruhe war wieder da. Übersah er etwas? Isas Selbstmord. Sascha. Wer war er?
Hatte sich vielleicht Daniel als Sascha ausgegeben?
Er hielt das Handy noch in der Hand, rief Meo an und fragte, ob er sich inzwischen das Facebook-Profil von Sascha vorgenommen hatte.
»Da gibt es nicht viel zu sehen. Angemeldet hat er sich am 3. Februar. Seine letzte Aktivität stammt vom 24., dem Tag, an dem Isa Selbstmord beging. Derzeit hat er nur eine Handvoll Freunde. Isa ist noch dabei. Ihr Profil gibt es auch noch. Da sollten die Eltern mal eine Löschung beantragen.«
»Dass Daniel sich als Sascha ausgegeben hat, können wir ausschließen?«
»Dann wäre seine Mailbox voll mit Facebook-Benachrichtigungen für Sascha. Und es gäbe eine Anmeldebestätigung. Da ist nichts dergleichen. Und da war auch nichts dergleichen. Auch nicht auf dem PC, den er im Autohaus genutzt hat. Daniel war nicht Sascha.«
Gut, dann war das erledigt.
Auf dem Rückweg beschlich ihn das Gefühl, hoffnungslos altmodisch zu sein, nicht mehr mitzubekommen, was geschah. Jedermann hatte ein Facebook-Profil, sogar Gina, und nun funkte dieses Netzwerk in seine Arbeit hinein und er war ahnungslos, wie es funktionierte.
In Büro angekommen, startete er den PC und meldete sich bei Facebook an. In seinem Profil hinterlegte er ein paar rudimentäre Informationen. Beamter im Öffentlichen Dienst. Geboren in Hamburg. Das genaue Datum schenkte er sich. Damit konnte Missbrauch getrieben werden. Hobbys: Segeln. Kochen. Kunst. Dann suchte er Ginas Profil. Doch er konnte nicht lesen, was sie schrieb, denn sie hatte ihr Profil nur für Freunde geöffnet. Also schickte er ihr eine Anfrage.
Dann suchte er nach Mika. Ihr Profil war öffentlich. Jeder konnte lesen, was sie schrieb. Das war leichtsinnig. Wer wusste schon, wer mitlas, Informationen sammelte und sie für seine Zwecke nutzte? Gestern hatte sie ein Musikvideo auf YouTube verlinkt. Dühnfort klickte darauf und sah Sekunden später Mika vor sich. Ihre Hände umfassten ein Mikrophon. Sie sang ein Lied für Isa, besser gesagt, sie hauchte, flüsterte, krächzte, seufzte ihre Trauer um Isas sinnlosen Tod aus sich heraus. Am Ende liefen die Tränen. Miss you so! Miss you so!
War es das
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