Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Denn eigentlich hätte sie wissen können, dass Daniel sich von seinem Verdienst all das nicht leisten konnte. Doch es war einfacher gewesen wegzugucken, als unbequeme Fragen zu stellen. Er war ihr Freund. Warum hatte sie nicht nachgebohrt? Warum hatte sie ihn nicht gezwungen, die Wahrheit zu sagen? Warum hatte sie ihn nicht davon abgebracht? Das war schrecklich und schäbig und unverzeihlich. Warum hatte sie ihm nicht geholfen?
Sie drehte sich auf die Seite und hatte nun die Ballerinas im Blick, die auf dem Teppichboden vor dem Bett standen. Zweihundert Euro hatten sie gekostet. Es war doch einfach nur krank, so viel Geld für Schuhe auszugeben. Nein, wie das alles zusammenhing, hatte nicht vor ihr gelegen. Jedenfalls nicht glasklar, eher in einem Nebel verborgen. Da war etwas, das nicht passte, ein falsches Bild, ein schräger Ton, ein Missempfinden. Das hatte sie immer gefühlt. Doch sie hatte dieses Gefühl ignoriert. Aus Bequemlichkeit. Es war einfacher gewesen.
Doch auch jetzt spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte schon vor Wochen mit Daniel Schluss gemacht. Warum hatte er noch weiter gedealt? Das ergab doch keinen Sinn, wenn es Daniel nur darum gegangen war, sie zu beeindrucken. Es sei denn, die Geschichte mit dem Oldtimer stimmte. Doch das glaubte sie nicht. Daniel hatte öfter davon geredet, sich einen solchen Wagen irgendwann mal zu kaufen. Am besten in schlechtem Zustand, weil er dann günstig zu haben war. Herrichten konnte er ihn schließlich selbst. Doch das war nichts, das heute oder morgen passieren sollte. Das hatte nach Zukunftsmusik geklungen. Wie kam Dühnfort auf den Oldtimer? Das konnte er eigentlich nur von Phillip haben.
Schon wieder Phillip. Mika glaubte einfach nicht, dass er bis vor kurzem nicht gewusst hatte, dass Daniel wieder dealte. Und sie hatte den Verdacht, dass er auf irgendeine Weise mit drinhing.
In den letzten Monaten hatte Phillip sich verändert. Genau wie sie selbst. Seit Isas Tod …
Isas Tod ragte wie ein Monolith in ihr Leben, wie eine Mahnung, die alles in Frage stellte, ins Rutschen brachte, Positionen neu zu bestimmen erzwang, doch das gelang nicht, alles trieb auf einen Abgrund zu.
Mika setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett. Sie musste jetzt aufstehen, etwas tun, sonst drehte sie noch durch. Sie musste Phillip zur Rede stellen. Sie würde sich von ihm nicht überstülpen lassen, an Daniels Tod schuldig zu sein. Sie hatte ihren Teil beigetragen, und das war schrecklich. Doch Phillip ebenfalls. Er log, das spürte sie. Sie wollte jetzt wissen, was da gelaufen war, und ging in sein Zimmer, in der Erwartung, die Rollläden hochzureißen und ihn aus dem Bett zu scheuchen. Doch er war wach und saß mit dem Handy am Ohr im Halbdunkel auf der Bettkante. Sie hörte noch, wie er sagte: »Bist du bescheuert, mich anzurufen?«, dann fuhr er herum. Für eine Sekunde sah sie den Schreck in seinen Augen, aber er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle und grinste sie an. »Schätzchen. Ich muss Schluss machen. Die heilige Inquisition steht vor mir. Wir sehen uns … Ja, klar. Elf passt.« Er drückte das Gespräch weg und legte das Handy aufs Bett. »Haben Papi und Mami uns nicht beigebracht, dass man anklopft und wartet, bis jemand herein sagt?«
»Wer war das?« Mika wies aufs Handy.
»Geht dich das was an?«
»Wieso ist dir Daniel zufällig in der Kultfabrik über den Weg gelaufen? Ich denke, du bist dir zu gut dafür. Da gehen doch nur Prolls hin.«
»Und Landeier. Die hast du vergessen. Neuerdings stehe ich auf Landeier.« Phillip ließ sich aufs Bett zurückfallen. Die Luft in seinem Zimmer war total verbraucht und stickig. Am liebsten hätte Mika das Fenster aufgemacht. Ihr fehlte die Luft zum Atmen.
»Du lügst mit jedem Wort, das aus deinem Mund kommt. Ich will jetzt wissen, wie du da mit drinhängst. Hast du Daniel dazu gebracht, wieder zu dealen? War das für dich dann die sichere Quelle, um an X zu kommen?«
»Hör auf mit dem Scheiß. Ich werfe nichts ein.«
»Nein. Natürlich nicht. Du hast einfach eine so tolle Konstitution, dass du die Nächte durchfeiern kannst und immer gut drauf bist.«
»Du hast es erfasst.« Mit einer Hand schob Phillip das T-Shirt hoch, fuhr sich über den Bauch und gähnte. »War es das? Ich würde gerne noch eine Runde schlafen.«
»Ich weiß, dass du weißt, woher Daniel das Zeug hatte. Hat er den Kerl betrogen? Wollte er ihn hinhängen oder vielleicht erpressen? Ich will wissen, warum Daniel abgeknallt
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