Verfluchte Seelen
dachte Bastien. Den anderen Unsterblichen würde es gefallen, ihm Stuarts Kommentar unter die Nase zu reiben.
»Also dann …«, sagte Stuart, wobei er zurückwich und gleichzeitig die Hände vor der Brust faltete, »dann mache ich mich jetzt mal vom Acker.«
»Netter Versuch.« Bastien musterte ihn grimmig und deutete auf einen Erdhügel direkt neben einem der Krater – ein Überbleibsel der letzten großen Schlacht, die hier ausgefochten worden war. Eine Schlacht, bei der Bastien leider nicht mit von der Partie gewesen war. Vielleicht hätte sich alles anders entwickelt, wenn er dabei gewesen wäre. »Setz dich, Stuart.«
Mit düsterem Gesicht ließ sich Stuart unbeholfen auf dem Boden nieder. »Die Erde ist ganz feucht.«
»Du hast mein volles Mitgefühl. Jetzt hör mir mal genau zu. Es gibt da etwas, worüber wir reden müssen.« Bastien zog sein Shirt aus und riss einen langen Streifen vom Saum ab. Es sah aus, als versuchte jemand, einen Apfel zu schälen, ohne dabei das Messer abzusetzen.
»Geht es um das, worüber Sie gesprochen haben, bevor wir auf die Lichtung gestürmt sind?«
»Ja. Wir haben einen neuen Feind.«
»Sie meinen, die Unsterblichen Wächter haben einen neuen Feind?«
»Ich meine, dass wir
beide
– Vampire
und
Unsterbliche – einen neuen Feind haben. Einen, der uns zerstören will, um alle Macht an sich zu reißen.«
»Ah ja. Richtig.«
»Was machen Sie da?«, fragte Melanie, die Bastien neugierig beobachtete.
Bastien kniete sich vor ihr hin. »Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe, Stuart. Zwing mich nicht, dich zu jagen.« Bastien nahm den langen Stoffstreifen und wickelte ihn sorgfältig um den Schnitt in Melanies Oberschenkel.
Mit einer Hand stützte sie sich auf seiner Schulter ab. »Vielen Dank.«
Bastien hatte Mühe, sich zu konzentrieren, als ihre Wärme in ihn hineinströmte. Durch die Berührung konnte er fühlen, dass ihr Puls wie wild schlug. Gleichzeitig spürte er, wie ihr Atem stockte, beinahe, als wäre es sein eigener.
»Unser neuer Feind hat ein sehr wirksames Betäubungsmittel entwickelt, Stuart«, erklärte Melanie.
»Aber ganz offensichtlich sind Sie diejenigen, die es zu ihrem Vorteil nutzen.«
»Ich habe den Wirkstoff erst in die Finger bekommen«, stellte Melanie klar, »als das Betäubungsmittel während der Herrschaft des Vampirkönigs sowohl gegen Vampire als auch gegen Unsterbliche eingesetzt wurde.«
Bastien verknotete die losen Enden des provisorischen Verbands. »Unser gemeinsamer Feind heißt Emrys und befehligt eine Gruppe Söldner.« Er warf dem Blutsauger einen Blick zu und erhob sich. »Zumindest glauben wir, dass es sich um Söldner handelt und nicht um Leute vom Militär.«
Stuart runzelte die Stirn. »Sie meinen, so was wie Blackwater? Eine Art privates Sicherheits- und Militärunternehmen?«
»Ja, aber ich glaube, dass die Einheit kleiner und elitärer ist. Nur ganz wenige wissen von der Existenz dieser Schattenarmee. Sie ist so geheim, dass wir weder ihren Namen noch ihren Standort herausbekommen konnten. Wir kennen nur den Namen ihres Anführers.«
»Und auch das wissen wir nur«, fügte Melanie hinzu, »weil dieser Mann den Vampirkönig getötet hat.«
Obwohl Stuart nicht ganz überzeugt aussah, hörte er ihnen doch wenigstens aufmerksam zu.
Als er den Plan entworfen hatte, hatte Bastien nicht ernsthaft geglaubt, dass ihre Geschichte funktionieren könnte. Offenbar hatten sie Glück.
Allerdings wimmelte es in North Carolina von frisch verwandelten Vampiren – das hatten sie dem Vampirkönig zu verdanken. Kurz vor seinem Ende hatte er seinen Gefolgsleuten befohlen, nach Belieben Menschen zu verwandeln, und seine Soldaten hatten sich sofort an die Arbeit gemacht. Daher hatte Chris Reordon immer noch alle Hände voll zu tun, die vielen Vermisstenanzeigen durchzuarbeiten, die in North Carolina und den Nachbarstaaten bei der Polizei gemacht worden waren.
»War das,
bevor
oder
nachdem
die Unsterblichen den Vampirkönig umgebracht haben?«, fragte Stuart. Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.
Bastien stand direkt neben Melanie. Jedes Mal, wenn sich ihre Arme berührten, schossen ihre Empfindungen wie kleine elektrische Schocks durch seinen Körper, und viele dieser Empfindungen bezogen sich auf
ihn
und das, was er hatte durchmachen müssen. »Vorher. Oder was dachtest du, wer seine Anhängerschaft so stark dezimiert hat, dass es für die Unsterblichen ein Leichtes war, seine Armee zu zerstören?«
Stuart musterte ihn
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