Verfluchte Seelen
rauben und sie durch neue ersetzen. Durch falsche Erinnerungen.
Bastien musterte Cliff nachdenklich. »Glaubst
du
das auch?«
Das jugendliche Gesicht des Vampirs drückte Bedauern aus. »Nein. Aber auch ich fühle mich in ihrer Gegenwart nicht wohl.«
Melanie biss sich auf die Unterlippe. »Es tut mir leid, Cliff. Ich würde sie ja darum bitten, nicht mehr zu kommen, aber die Sitzungen mit ihnen helfen dir.«
Nein, das tun sie nicht!
Joes Stimme aus dem Nebenzimmer klang schrill.
Sie verarschen uns nur!
Leichte Übelkeit breitete sich in Bastien aus. Joe ging es sehr viel schlechter, als ihm klar gewesen war.
Als er aufblickte, sah ihn Cliff traurig an. »Wie lange ist Joe schon dieser … Überzeugung?«, fragte er vorsichtig, um Joe nicht noch weiter zu reizen.
»Seit einer ganzen Weile.«
Melanies Blick wanderte zwischen ihnen hin und her. »Welche Überzeugung? Was hat er gesagt?«
Bastien konnte deutlich spüren, wie besorgt sie war.
»Vielleicht ist es besser, wenn Seth und David nur noch Cliff behandeln«, schlug Bastien vor.
Ein paar Sekunden lang musterte sie ihn schweigend.
Mit den Lippen formte er unhörbar das Wort
Später
.
Sie nickte. »In Ordnung. Ich tue, was ich kann.«
Düsteres Schweigen senkte sich auf sie herab.
»Also gut …«, sagte sie schließlich, und Bastien spürte, dass sie nach einem Weg suchte, die Düsternis zu vertreiben und Cliff aufzumuntern. »Cliff, was hältst du davon, wenn ich meinen Laptop hole, damit wir zusammen ein paar coole neue Möbel und einen Flachbildfernseher aussuchen, während Bastien das Chaos beseitigt?«
Als Bastien anfing, lautstark zu protestieren, lachte Cliff und sagte: »Hört sich gut an.«
Der Unsterbliche schloss den Mund wieder, beugte sich vor und hob eine halbe Sofalehne vom Boden auf.
»Du bist heute Nacht so still, Bastien«, befand Richart.
Melanie warf dem Unsterblichen links von sich einen kurzen Blick zu.
Er fummelte an seinem Handy herum – wahrscheinlich wartete er auf neue Nachrichten von seiner Liebsten.
Sie sah zur anderen Seite. Dort saß Bastien und starrte wortlos hinunter auf das Unigelände, auf dem sich kaum etwas regte.
Sie saßen zu dritt auf dem Dach der Davis-Bibliothek, ihre Füße baumelten über den Rand. Die Gebäudefront war gut beleuchtet, daher hatten sie es sich bewusst auf dieser Seite gemütlich gemacht. So wurden sie nicht von den Lichtkegeln der Lampen erfasst, die das Gelände der University of North Carolina beleuchteten, sondern blieben im Schatten der Bäume.
Melanie hatte es durchaus ernst gemeint, als sie Bastien gesagt hatte, dass er sie nicht so schnell wieder loswerden würde. Über ein Jahrtausend hatten die Unsterblichen geglaubt, dass Drogen ihnen nichts anhaben konnten und sich dementsprechend verhalten. Sie hatten sich keine Gedanken darüber gemacht, dass jemand versuchen könnte, sie mit einer chemischen Substanz zu beeinflussen, sondern sich für immun gehalten. Mithilfe des Betäubungsmittels, das Emrys entwickelt hatte, um Ami während der von Emrys’ Leuten durchgeführten Experimente und Untersuchungen bewegungs- und kampfunfähig zu machen, hatte er den Unsterblichen gezeigt, dass sie sich irrten. Aber statt die Warnung anzunehmen und auf die Idee zu kommen, dass es noch andere Substanzen geben könnte, die ihnen gefährlich werden könnten, schienen die Unsterblichen davon auszugehen, dass dies nur für Emrys’ Droge galt.
Dabei hatte Melanie ihnen erst jüngst bewiesen, dass diese Annahme falsch war. Schließlich hatte das Aufputschmittel, das sie hergestellt hatte, gewirkt. Dennoch war Bastien immer noch nicht damit einverstanden, dass sie ihn und Richart auf die Jagd begleitete. Er war der Überzeugung, dass es ihm gut ging – schließlich hatte ihm das Aufputschmittel, dass er sich injiziert hatte, nichts anhaben können. Folglich ging er davon aus, dass er keine bleibenden Schäden davontragen würde. Und dass es keine verspäteten Nebenwirkungen geben würde.
Aber Melanie wollte sich lieber selbst davon überzeugen und hatte darauf bestanden, die beiden zu begleiten.
Als Richart Zweifel angemeldet hatte, ob es klug war, sie mitzunehmen, hatte Melanie Seth angerufen, der ihr Vorhaben ohne zu zögern unterstützt hatte.
Möglicherweise schwieg Bastien so beharrlich, weil er wütend darüber war, dass sie sich über ihn hinweggesetzt hatte.
Hm.
Vielleicht lag es ja an Seth, dass sich Bastien so schwer damit tat, sich in die Reihen der Unsterblichen Wächter zu
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