Verfluchte Seelen
keine Ahnung, wie häufig ich ihm schon zu gern eine runtergehauen hätte, seit Seth mir die Rolle des Babysitters aufgedrückt hat.«
Melanie lachte. »Ich verstehe dich nur zu gut.«
Bastien bedachte sie mit einem finsteren Blick. »Wie sagt ihr Amerikaner noch – das war so witzig, dass ich glatt vergessen habe zu lachen?«
»Wow«, lautete Melanies trockener Kommentar. »Diese Redewendung habe ich ja schon seit Jahren nicht mehr gehört.«
»Hast wohl schon ein paar Jahre auf dem Buckel, alter Mann«, witzelte Richart.
»Wir sind fast gleich alt, du Dumpfbacke.«
»An Jahren vielleicht. Aber nicht im Geiste.«
Der Wortwechsel ließ Melanie grinsen. So war es schon viel besser.
Plötzlich drehten beide Männer die Köpfe nach Norden.
Instinktiv folgte Melanie ihrem Blick, konnte aber nichts sehen.
Richart und Bastien erhoben sich.
Als Melanie es ihnen nachtun wollte, griff Bastien nach ihrem Arm und führte sie vorsichtig weg von der Dachkante. Die beiden Männer hatten darüber gestaunt, dass sie nicht unter Höhenangst litt – nicht mal ein wenig. Aber da ihr Vater als Hochhausfensterputzer gearbeitet hatte, war sie immer davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine Familientugend handelte.
Die beiden Unsterblichen wirkten, als ob sie konzentriert auf etwas lauschten.
»Was ist los? Sind das … Ratten?« Sie konnte sich gerade noch bremsen, Vampire zu sagen, da sie nicht wusste, ob die sie möglicherweise hören konnten.
Bastiens Mundwinkel zuckten. »Ja.«
»Wie viele?«
Er hob die Hand und legte Mittelfinger und Daumen aneinander.
Melanie versuchte, sich an die Handsignale zu erinnern, die sie während ihres Kampftrainings auswendig gelernt hatte. Acht. Es war ungewöhnlich, dass Vampire in so großen Gruppen jagten. Auch wenn niemand genau sagen konnte, wie viele Menschen der Vampirkönig und seine Anhänger verwandelt hatten, war es wahrscheinlich, dass es sich um eine hohe Zahl handelte. Schließlich trieben regelmäßig große Vampirrudel in North Carolina ihr Unwesen.
Eilig überprüften Bastien und Richart ihre Waffen.
»Wir sind bald zurück«, sagte Bastien zu ihr.
Richart streckte die Hand aus, um Bastiens Schulter zu berühren.
Zur Hölle, nein!
Melanie machte eine blitzschnelle Bewegung nach vorn. Ihre Finger schlossen sich just in dem Moment um Bastiens Arm, als Richart sie an einen anderen Ort teleportierte.
Die Welt um sie herum versank in Dunkelheit, und Melanie fühlte sich seltsam schwerelos. Dann berührten ihre Füße das Pflaster des Bürgersteigs in der Nähe des Instituts für Physikalische Wissenschaften.
Melanie verstand zwar nicht, was Richart als Nächstes sagte, vermutete aber, dass er auf Französisch fluchte.
»Tu das nie wieder!«, fuhr er sie auf Englisch an.
Eilig entschuldigte sie sich. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass ihr mich dort zurücklasst.«
»Dafür hatten wir einen guten Grund!«
»Hey.« Bastien machte einen drohenden Schritt nach vorn, seine Augen blitzen. »Sprich nicht so mit ihr.«
Richart zog ein grimmiges Gesicht. »Hör zu, ich meine ja nur – wenn sie uns unbedingt begleiten will, dann …«
»Sie begleitet uns aber nicht.«
»Halt den Mund«, sagten Melanie und Richart gleichzeitig.
Wütend presste Bastien die Lippen aufeinander.
»Wie ich schon sagte«, begann Richart noch einmal, »wenn du uns begleiten willst, dann müssen wir ein paar grundlegende Regeln festlegen.«
Melanie nickte. »Ich verstehe. Aber meinst du nicht, dass wir das auch später erledigen können? Haben wir im Moment nicht dringendere Probleme?« Sie deutete hinter sich, wo acht Vampire, deren Augen blau, grün, silbern und bernsteinfarben leuchteten, abrupt stehen geblieben waren und sie mit offenen Mündern anstarrten.
»Unsterbliche Wächter«, schnarrte einer von ihnen.
Einer nach dem anderen entblößten sie ihre Reißzähne.
Richart warf Bastien einen kurzen Blick zu. »
Du
wolltest dich doch unbedingt mit ihnen anfreunden. Wie sieht der Plan aus?«
Nachdenklich betrachtete Bastien die Vampire.
Ein paar von ihnen fingen an, laut zu knurren.
Melanie unterdrückte ein Lachen. Offensichtlich sollte das Geräusch einschüchternd wirken, allerdings …
Wenn einer der Unsterblichen ein grollendes Geräusch hinten in der Kehle machte, dachte man unwillkürlich an ein gefährliches, sprungbereites Raubtier. Aber diese Jungs erinnerten sie eher an Tom aus den Tom-&-Jerry-Zeichentrickfilmen, die sie in ihrer Kindheit gesehen hatte – wenn
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