Verfluchte Seelen
Männer in Verlegenheit zu bringen oder ein falsches Signal zu senden (insbesondere, was Richart anging), hätte sie ihre Hände am liebsten in die Taschen der beiden Männer gesteckt, um sie zu wärmen.
Zu den verblüffenden Dingen, die sie über die Unsterblichen erfahren hatte, gehörte, dass sie ihre Körpertemperatur regulieren konnten. Selbst bei diesen eisigen Minusgraden blieben sie schön warm. Sogar wenn die beiden Männer trotz der klirrenden Kälte die Mäntel ausgezogen und sich in Unterwäsche diesen Temperaturen ausgesetzt hätten, wäre ihre Körperwärme in weißen Wölkchen von ihrer Haut aufgestiegen.
»So sieht das also aus, wenn man Vampire jagt?«, fragte sie. »So sieht Ihr Alltag aus? Sie sitzen herum und ärgern sich gegenseitig, während Sie darauf warten, dass sich ein Vampir blicken lässt?« Das war ziemlich langweilig. Es fiel ihr schwer, nicht herumzuzappeln wie ein kleines Kind, das man gezwungen hatte, während einer ungewöhnlich langen Predigt in einem kratzigen Wollanzug in der Kirche zu sitzen. Nichtstun war sie einfach nicht gewöhnt. Es fing an, an ihren Nerven zu zerren, und die waren ohnehin angespannt, weil sie so nah neben Bastien saß. Auch wenn ihre Nase vor Kälte taub war, nahm sie seinen einzigartigen Duft wahr … am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt und ihm die Klamotten vom Leib gerissen.
Leise fluchend rückte Bastien etwas von ihr ab, sodass sich ihre Arme nicht mehr berührten.
Richart warf ihm einen wissenden Blick zu und stopfte das Handy zurück in die Hosentasche. »Wie du weißt, verfügen wir Unsterblichen über einen außergewöhnlich scharfen Gehörsinn. Wenn wir uns ganz ruhig verhalten, hören wir, was sich in mehreren Kilometern Entfernung abspielt. Mit unserem Geruchssinn verhält es sich ähnlich. Wenn ein Vampir auf dem Unigelände jemanden angreift und versucht, von seinem Opfer zu trinken, würden wir das hören und riechen. Auf diese Weise müssen wir nicht Patrouille laufen.«
»Dann habe ich also recht? Ihr sitzt wirklich die ganze Zeit nur da und ärgert euch gegenseitig, bis irgendetwas passiert?«
»Er versucht, nett zu sein«, erklärte Bastien. »Normalerweise drehen wir Runden über das Campusgelände und suchen es mit den Augen ab, um unseren Radius zu erweitern, aber heute Nacht gehen wir auf Nummer sicher.«
»Weil
ich
dabei bin.«
»Ja. Falls heute Nacht ein paar Blutsauger auftauchen, können wir dich hier oben zurücklassen, wo es für dich sicher ist, und unten gegen sie kämpfen.«
Diese Arroganz! »Ich habe dir schon gesagt, dass ich es problemlos mit einem Vampir aufnehmen kann. Hat unser Zusammentreffen mit Stuart und seinen Kumpanen dir das nicht bewiesen?«
Richart warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. »Du hast Bastien dabei geholfen, die Blutsauger zu erledigen?«
»Ja.« Sie hatten Richart keine Einzelheiten über den Kampf erzählt, sondern nur gesagt, dass sie in Stuart einen möglichen Rekruten gefunden hatten. Danach hatte Richart die bewusstlosen Blutsauger in die Arrestzelle teleportiert, aber leider waren sie schon zu geschwächt gewesen, um zu überleben. »Ich dachte, ich hätte bewiesen, dass ich damit fertig werde.«
Fragend sah Richart Bastien an.
»Das hat sie tatsächlich«, bestätigte er, wobei er Melanie stirnrunzelnd musterte. »Du hast mir nie gesagt, wie es kam, dass man dich im Kampf ausgebildet hat. Du bist Ärztin und keine Sekundantin.«
»Komm schon, so schwer ist das nicht zu verstehen. Ich arbeite jeden Tag mit Vampiren zusammen. Glaubst du wirklich, dass Reordon mir gestatten würde, Vince, Cliff und Joe jeden Tag zu sehen, wenn ich nicht dasselbe Training absolviert hätte wie die Sekundanten? Mr Reordon wollte nur sichergehen, dass ich mich verteidigen kann, falls ich von einem der Vampire angegriffen werde.«
»Vorhin hatte Cliff aber keine Probleme, dich kampfunfähig zu machen«, widersprach Bastien mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Du warst ihm völlig ausgeliefert.«
Melanie runzelte die Stirn. »Das lag daran, dass ich nicht wachsam war. Weil ich mich in deiner Gegenwart sicher fühle.«
»Da hast du dir aber auch was geleistet, Bastien«, kritisierte ihn Richart.
»Glaub ja nicht, dass ich noch mal auf diesen Mist hereinfalle«, warnte ihn Melanie. »Aber letztlich habe ich euch dazu gebracht, mit der Prügelei aufzuhören, stimmt’s? Und zwar,
ohne
das Betäubungsmittel einzusetzen.«
Richart kicherte. »Das hätte ich wirklich gern gesehen. Du hast
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