Verfolgt im Mondlicht
uns erschreckt.«
»Mich nicht«, widersprach Della.
Mr Yates sah sie missbilligend an. »Nächstes Mal versucht es mal mit hallo sagen, statt gleich zum Angriff überzugehen.«
»Das war unser Hallo«, erwiderte Della. »Wenn wir Sie angegriffen hätten, wären Sie jetzt verletzt … oder tot.«
»Wir haben überreagiert«, ging Kylie dazwischen. Dann fiel ihr ein, dass sie den Typ von Anfang an unsympathisch gefunden hatte. Er schien irgendwie etwas zu verbergen, und seine dunkle Kleidung und das unter der Kapuze versteckte Gesicht verstärkten den Eindruck noch. Allerdings gebot Kylie ihre gute Erziehung, Autoritätspersonen mit Respekt zu begegnen. »Es tut uns leid.«
»Tut es das?«, fragte Della sarkastisch.
Kylie bedeutete Della mit einer Handbewegung, dass sie weitergehen sollte.
Della warf dem Lehrer noch einen bösen Blick zu, dann machte sie auf dem Absatz kehrt. Sobald sie ein paar Schritte entfernt waren, flüsterte Della: »Ich kann ihn nicht leiden.«
»Ich auch nicht«, stimmte Kylie zu, konnte aber nicht sagen, wieso.
»Meinst du, er steckt mit Mario unter einer Decke?«, fragte Della.
»Nein. Ich … weiß nicht. Lass uns lieber keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
Sie erreichten den Platz vor dem Campbüro und dem Speisesaal. In Holidays Büro brannte Licht. Plötzlich bemerkte Kylie die Totenstille. Kein Vogel zwitscherte, nicht einmal der Wind schien sich zu trauen, ein Geräusch zu verursachen. Die Tatsache, dass Della wie angewurzelt stehen geblieben war und ihre Augen hellgrün leuchteten, ließ darauf schließen, dass Kylie sich das nicht nur einbildete. Jemand war hier.
»Es ist alles okay«, ertönte eine Stimme hinter ihnen.
Kylie und Della fuhren herum. Der Mann war Anfang dreißig und trug einen schwarzen Anzug. Kylie checkte schnell sein Muster – er war ein Vampir. Er hielt die Hände hoch, als wollte er ihnen zu verstehen geben, dass er in friedvoller Absicht hier war. Andererseits war er ein Fremder auf dem Campgelände. Wer zur Hölle war er?
»Es ist okay.« Seine Geste wirkte bei Kylie nicht, bei Della noch weniger.
»Das werde ich lieber selbst beurteilen.« Das leuchtende Glühen, das von Dellas Augen ausging, ließ ihre gebleckten Eckzähne aufblitzen.
Der Mann schlug seine Jacke zurück und zeigte auf eine Dienstmarke an seinem Gürtel. »Ich bin Agent Houston von der FRU, ein Freund von Burnett.« Die Art, wie er das Wort Freund aussprach, ließ Kylie aufhorchen, auch wenn sie nicht sagen konnte, weshalb. »Burnett hat mich gebeten, für ihn einzuspringen, solange er weg ist, um einen Verdächtigen abzuholen.«
»Für ihn einzuspringen? Was denn für einen Verdächtigen?«, fragte Della gebieterisch.
Der Blick des Agenten wanderte zu Kylie, als wüsste er, dass sie es verstand. Und das tat sie auch. Burnett hatte einen Freund gebeten, auf Holiday aufzupassen, während er nach Blake suchte. Aber nur, weil sie es verstand, hieß das noch lange nicht, dass sie den Fremden als Verbündeten ansah. Klar, sie vertraute Burnett, aber die Dienstmarke, die Agent Houston so stolz präsentiert hatte, rief bei ihr mehr negative als positive Gefühle wach.
»Ich kann euch nichts Genaues sagen«, erklärte der Agent. »Aber ihr werdet mir vertrauen müssen. Kylie weiß, warum.«
Vertrauen? Das hätte er wohl gern , dachte Kylie. Doch als sein Herzschlag sich nicht veränderte, er also die Wahrheit zu sagen schien, sah Kylie Della an. »Er sagt die Wahrheit.«
»Ich weiß.« Della schien immer noch genervt, aber ihre Augenfarbe hatte sich wieder normalisiert. Was sich allerdings bestimmt ändern würde, wenn sie mit Kylie allein war, denn dann würde sie nicht lockerlassen, bis sie alles wusste. Della hasste es, im Dunkeln gelassen zu werden.
»Ich geh mal zu Holiday rein.« Kylie sah Della an.
»Sie ist ganz schön beliebt heute Morgen«, stellte Agent Houston fest.
Kylie schaute zum Fenster und konnte die Umrisse einer offenbar männlichen Person erkennen. »Wer ist denn da bei ihr?«
»Einer der neuen Lehrer«, antwortet Agent Houston.
Kylie stutzte. »Hayden Yates?« Sie warf Della einen Blick zu. Wie hatte er sie nur überholen können? Della sah Kylie achselzuckend an.
»Nein«, sagte der Agent. »Ein gewisser Collin Warren. Er hat gesagt, er wäre der neue Geschichtslehrer. Gibt es ein Problem mit ihm?« Seine Stimme war tiefer, und er machte einen Schritt aufs Büro zu.
»Nein, nein«, sagte Kylie schnell. »Alles okay.« Doch genau in dem Moment
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