Verfolgt im Mondlicht
Wochen nicht miteinander gesprochen, aber Kylie hatte fest vor, das bald zu ändern. Auch wenn sie inzwischen akzeptierte, dass sie sich beide verändert hatten und wahrscheinlich nicht mehr annähernd so viel gemeinsam hatten wie früher, war Sara immer noch … Sara. Und heute vermisste Kylie sie mehr denn je.
Die Morgenluft, die durch das offene Fenster in ihr Zimmer drang, roch schon sehr nach Herbst. Kylie hatte fürs Anziehen und Fertigmachen viel länger gebraucht, als sie vorgehabt hatte. Eigentlich hatte sie gedacht, dass es ihr egal wäre, wie sie aussieht, da Lucas sowieso nicht da war, aber Miranda und Della hatten sie wohl angesteckt. Die beiden sahen aus wie aus dem Ei gepellt, als sie kurze Zeit später gemeinsam zum Speisesaal gingen.
Kylie hatte sich für niemand Speziellen schick gemacht, aber als Derek vom Feen-Tisch zu ihr rüberschaute, sah sie ihm an, dass er sie hübsch fand. Sie musste unwillkürlich lächeln, doch das Lächeln verschwand schnell wieder aus ihrem Gesicht, als sie an Lucas dachte und spürte, wie sehr sie ihn vermisste.
Nach dem Frühstück stand die übliche Lern-deine-Campkollegen-Stunde auf dem Programm. Kylie zog Nikkis Namen, die neue Gestaltwandlerin, die Miranda nicht leiden konnte, weil sie sich angeblich an Perry ranschmiss. Kylie hatte vorher befürchtet, dass die Neue sie mit Fragen zum Glühwürmchen-Vorfall überhäufen würde, aber ihre Sorge war unbegründet. Nikki kannte nur ein Thema an diesem Morgen: Perry. Miranda hatte recht gehabt, das Mädchen stand wirklich total auf Perry. Kylie nahm natürlich nicht an, dass Perry darauf eingehen würde. Trotzdem streute sie im Laufe der Stunde immer wieder freundlich den Hinweis ein, dass Perry schon vergeben war.
Und Nikki ignorierte sie genauso freundlich.
Noch bevor die Stunde zu Ende war, überlegte Kylie fieberhaft, was sie Miranda erzählen sollte – und ob überhaupt irgendetwas. Eifersucht war etwas Hässliches. Kylie war so froh, dass Fredericka nicht mit Lucas mitgegangen war, sonst hätte sie jetzt selbst mit dem grünäugigen Monster namens Eifersucht zu kämpfen.
In der ersten Stunde hatte Kylie Englisch mit Della, Miranda und Derek. Lucas hatte das Fach auch, war aber natürlich nicht da. Ava Kane, die neue Lehrerin, hatte eine angenehme Art zu unterrichten. Wobei die Jungs eh nur Augen für ihren Körper hatten. Es gab wahrscheinlich keinen einzigen männlichen Schüler im Raum, der sie nicht wie gebannt anstarrte. Sogar Derek. Wenn Lucas da gewesen wäre, hätte er sicherlich keine Ausnahme gebildet.
Während die Jungs nur Augen für die Kurven der Lehrerin hatten, hatte die Lehrerin nur Augen für Kylies Stirn. Kylie dachte schon, ihr Gehirnmuster würde wieder etwas Komisches machen. Sie fragte sogar Della, die neben ihr saß, danach. Della versicherte ihr, dass sie nach wie vor ihr langweiliges Feen-Muster hatte.
Nach der Stunde stand Miss Kane an der Tür. Als Kylie an ihr vorbeiging, flüsterte die Lehrerin ihr zu: »Tut mir leid, ich hätte dich nicht so anstarren sollen. Ich bin nur so fasziniert von … dir.«
Kylie spürte ihre Aufrichtigkeit. »Ist schon okay«, meinte sie deshalb, auch wenn sie das eigentlich nicht fand. Aber wenigstens hatte sich die Frau entschuldigt, was mehr war, als alle anderen je getan hatten.
Als Nächstes stand Geschichte auf dem Stundenplan, was sich als Herausforderung der speziellen Art erwies. So sehr Collin Warren sich auch bemühte, seine Nervosität zu verbergen, füllte sie doch den Raum wie Rauch. Und Kylie war sich sicher, dass das nicht nur die Feen spüren konnten. Im Gegensatz zu Miss Kane starrte er Kylie wenigstens nicht an. Allerdings schien er keinen der Schüler anzuschauen.
Kylie erinnerte sich an Holidays Bitte, den unerfahrenen Lehrer etwas zu unterstützen, weshalb Kylie nach der Stunde noch mal zu ihm ging. Die anderen Schüler hatten alle den Raum schon verlassen, und Kylie erwartete, dass der Mann sie irgendwie wahrnehmen würde. Aber nein, er saß mit gesenktem Kopf am Tisch und sortierte konzentriert seine Unterlagen.
Sie stellte sich genau vor den Tisch. Er schaute immer noch nicht auf. Okay … das war langsam schon ganz schön seltsam. Sie konnte verstehen, wenn jemand schüchtern war, aber das war zu viel. Für die Art Schüchternheit konnte man schon Medikamente verordnen.
»Hallo«, sagte Kylie schließlich.
Er seufzte angestrengt und sah dann zu ihr auf. »Kann ich dir helfen?«
Die Emotionen, die sie von ihm
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