Verfolgt im Mondlicht
legte ihrer Mutter jetzt eine Hand auf die Schulter. Kylie hatte das dringende Bedürfnis, ihm die Hand wegzuschlagen und ihm zu sagen, dass er kein Recht hatte, ihre Mutter anzufassen.
»Hallo Kylie«, sagte John.
Er hatte ein charmantes Lächeln, braune Augen und dunkelbraune Haare, die perfekt gestylt waren. Sie wünschte sich, etwas Hässliches an ihm zu finden – aber Fehlanzeige. Er war für ihren Geschmack nicht so gutaussehend wie Burnett, vielleicht weil er noch älter war, aber er sah gepflegt und gebildet aus.
»Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt«, fuhr er fort. »Ich habe mich schon sehr darauf gefreut, dich mal zu treffen. Deine Mom hat mir schon so viel von dir erzählt.«
Komisch, dachte Kylie. Ihre Mutter hatte ihr noch nicht so viel von ihm erzählt. Na ja, sie hatte ihr von dem Mittagessen erzählt und dass er sie anrufen wollte. Aber dass er das wirklich getan hatte, hatte sie ihr nie erzählt. Wahrscheinlich weil sie wusste, dass Kylie es mit gemischten Gefühlen sah, dass sie wieder mit Männern ausging. Na gut, im Moment waren die Gefühle nicht wirklich gemischt.
Kylie konnte ihn nicht leiden. Obwohl sie dafür keinen Grund hatte – außer ihrem Bauchgefühl und vielleicht ihrem heimlichen Wunsch, dass ihre Mom und ihr Stiefvater wieder zusammenkamen. Also musste sie wohl damit klarkommen. Nett sein. Konnte sie vielleicht sogar lernen, diesen Kerl zu mögen?
»Schön, Sie kennenzulernen.« Kylie rang sich ein freundliches Lächeln ab. Aber ihr war klar, dass er sie durchschaut hatte.
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, entgegnete er.
Nur mit größten Anstrengungen schaffte es Kylie, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten.
Die nächste halbe Stunde verbrachte Kylie in einem Raum mit ihrer Mom und dem schleimigen John und tat so, als wäre ihr Leben gerade eitel Sonnenschein. »Eitel Sonnenschein«, den Ausdruck hatte ihre Oma, die vor drei Monaten gestorben war, oft benutzt.
Kylie wünschte sich, ihre Großmutter könnte jetzt kurz bei ihr vorbeischauen. Bist du da, Oma? Kylie stellte die Frage in Gedanken, während John unaufhörlich davon erzählte, wie er mal in England gelebt hatte.
Ihre Oma antwortete nicht. Aber Kylie hatte das seltsame Gefühl, dass sie in der Nähe war.
»Ich wollte immer schon mal nach England«, sagte ihre Mutter gerade, die Johns Ausführungen aufmerksam folgte.
»Das lässt sich einrichten«, erwiderte John begeistert. »Nächsten Monat habe ich dort einen Geschäftstermin. Warum nimmst du dir nicht frei und kommst einfach mit?«
»Wirklich?« Kylies Mutter bekam leuchtende Augen. Dabei hatte Kylie gerade dasselbe gedacht wie ihre Mutter. Wirklich? Der Mann wollte, dass ihre Mutter mit ihm nach England ging. Wo sie ihn doch nicht mal richtig kannte. Und würde er dann davon ausgehen, dass sie sich ein Hotelzimmer teilten? Das ging ja gar nicht.
»Der Terminkalender meiner Mutter ist immer sehr voll. Sie wird sich bestimmt nicht freinehmen können«, wandte Kylie schnell ein, noch ehe ihr auffiel, dass sie da sicher nichts mitzureden hatte.
Ihre Mutter riss entsetzt den Mund auf und warf Kylie einen Blick zu, der unmissverständlich klarmachte, dass sie das Verhalten ihrer Tochter hochgradig unhöflich fand. »Ja, mein Terminkalender ist wirklich voll, aber ich könnte trotzdem versuchen, mir ein paar Tage freizuräumen.« Ein weiterer böser Blick warnte Kylie, kein weiteres Wort darüber zu verlieren.
»Super«, meinte John, als hätte er die Spannung zwischen den beiden verpasst.
»Super«, brachte Kylie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
»Wo wir gerade von Terminen sprechen«, ihre Mom schaute schnell auf ihre Armbanduhr. »Wir müssen mal langsam zurück. Wir fahren ja fast zwei Stunden. Und ich muss morgen arbeiten.«
Ihre Mom umarmte Kylie flüchtig. Und dafür, dass ihre Mutter das früher nie gemacht hatte, war das ziemlich gut. Kylie flüsterte »Sorry« in ihr Ohr. Es tat ihr wirklich leid. Sie wollte die Gefühle ihrer Mutter nicht verletzen, auch wenn sie den Typ nicht mochte.
Der Blick ihrer Mutter drückte volles Verständnis aus, was Kylies schlechtes Gewissen noch verstärkte.
Ihre Mutter lehnte sich an ihr Ohr und flüsterte: »Hab dich lieb.«
»Hab dich auch lieb«, gab Kylie zurück und umarmte ihre Mom noch einmal – diesmal noch fester und einen Moment länger.
Als Kylie die beiden nach draußen brachte, kamen sie an Burnetts Büro vorbei. Er saß an seinem Schreibtisch,
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