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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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wissen.
    »Ich möchte nicht, dass mein Brautstrauß womöglich   … äh   … irgendwie kitschig aussieht«, sagt sie. »Ich weiß nicht, ob Lilien und Rosen das Richtige für mich sind. Das bin irgendwie nicht ICH.«
    Ich schaue gar nicht richtig hin. »Ist doch hübsch«, sage ich. Mir knurrt der Magen und es ist mir scheißegal, was für einen Strauß sie in der Hand hat, wenn sie ihr Leben |220| einem widerlichen Scheusal opfert. »Warum kann nicht ein Mal was zu ESSEN im Haus sein?«, fauche ich und knalle den Schrank zu.
    »Warum kannst du nicht ein Mal nett zu mir sein?«, fragt meine Mutter.
    Ich bin verblüfft. Sie schaut mich eindringlich an. Müde sieht sie aus, fällt mir auf. Die Falten um den Mund waren vorher noch nicht da und ihr Gesicht ist ganz verhärmt. Sie hat schätzungsweise drei Kilo zu viel abgenommen. »Ich kann’s dir nie recht machen«, redet sie weiter. »Nie lächelst du mal oder fragst mich, wie es mir geht. Du benimmst dich, als könntest du meinen Anblick nicht ertragen.«
    »Du sagst auch nie was Nettes zu mir«, kontere ich und halte trotzig ihrem Blick stand.
    Meine Mutter nimmt ein leeres Orangennetz vom Küchentresen und spielt damit herum, knüllt es zusammen. »Immer bist du so aggressiv, Lexi.«
    Ich muss schlucken.
    »Und du denkst dir immer neue Sachen aus, um mich fertigzumachen«, fährt sie ruhig fort.
    Jetzt reicht’s mir aber gleich.
Bleib ganz ruhig, Lexi,
ermahne ich mich stumm. Jetzt bloß nicht ausrasten.
    »Ich bin deine Mutter. Ich habe doch wohl einen respektvolleren Umgang verdient.«
    Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Zwar ermahnt mich meine innere Stimme noch, den Mund zu halten, aber ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es muss endlich mal raus! »Das sagt die Richtige! |221| Du hast mich alleingelassen, als ich zwei Jahre alt war. Tolle Mutter, die ihre Kinder im Stich lässt!«
    Habe ich das wirklich gesagt? Die Worte stehen im Raum. Habe ich sie ausgesprochen? Eine ganze Weile sagt Mutter nichts. Sie sieht klein und noch älter als vorhin aus und fummelt immer noch mit dem blöden Netz herum. Am liebsten würde ich es ihr aus der Hand reißen.
    »Eine Mutter, die nur das Beste für ihre Kinder wollte«, erwidert sie schließlich leise.
    Sie macht die Augen zu. Ha! Sie hat zuerst nachgegeben! Ding-dong! Die erste Runde geht an Lexi!
    »Ich bin nicht aus egoistischen Gründen gegangen«, sagt meine Mutter.
    »Pfff!«, mache ich kindisch.
    Ich würde gern abhauen, aber ich bin wie angewurzelt. Auf dieses Gespräch habe ich mein Leben lang gewartet. Ich bin gleichzeitig aufgeregt und habe Angst. »Ich weiß ja, dass Dad kein Engel ist«, sage ich. »Aber hättest du nicht wenigstens so lange dableiben können, bis ich mir allein die Schuhe zubinden konnte?«
    »Ich bin nicht wegen deinem Vater weggegangen, sondern deinetwegen.«
    Uff! So ehrlich hätte sie nun auch wieder nicht zu sein brauchen. In welches Wespennest habe ich da gestochen? Das müssen ausgewachsene Monsterwespen sein.
    »Ich war keine gute Mutter. Du warst furchtbar eigensinnig und mit Devlin wurde sowieso niemand mehr fertig.«
    |222| Dagegen ist nichts einzuwenden, darum warte ich ab.
    »Als du klein warst, habt ihr beide keine Nacht durchgeschlafen. Ich lag jede Nacht stundenlang wach. Ich war erschöpft und völlig kaputt. Ich habe euch beide andauernd angebrüllt, obwohl ihr gar nichts gemacht hattet. Manchmal hätte ich am liebsten alles stehen und liegen lassen und wäre weggelaufen.«
    Sie klingt gar nicht mehr wie meine Mutter. So traurig und leise habe ich sie noch nie sprechen hören.
    »Eines Abends, ich hatte euch beide nach einem schlimmen Tag endlich ins Bett gesteckt, bin ich an den Kühlschrank gegangen und die Milch war alle. Euer Dad war unterwegs und ich wusste, er würde am nächsten Morgen einen Wutanfall kriegen. Da habe ich ohne groß nachzudenken die Haustür hinter mir abgeschlossen und bin zum nächsten Laden gegangen. Ich bin ja gleich wieder da, habe ich gedacht.
Und wenn es brennt?
Aber das war ja Unsinn. Ich habe mir eingeredet, euch würde schon nichts passieren und ich wäre ja nur eine Viertelstunde weg. Als ich dann hochgegangen bin und nach euch geschaut habe, habt ihr beide tief und fest geschlafen und alles war in bester Ordnung. Ich habe mir vorgenommen, so etwas nie wieder zu machen. Aber eine Woche drauf war es wieder so weit. Euer Dad war damals viel außer Haus, arbeiten.« Sie schielt zu mir rüber. Ja, klar. Arbeiten.

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