Verführ mich nur aus Liebe
im nächsten Moment zur Vernunft kam und sich zu wehren begann, ließ er sie sofort los. Sanft fügte er hinzu: „Deine Lippen haben die Farbe dieser Rose, mia bella. Wenigstens wirkst du so, als wäre dir die Berührung eines Geliebten nicht unbekannt. Nun lass uns ins Haus gehen und tun, was getan werden muss.“
4. KAPITEL
Es waren die Gesichter, an die Ellie sich später vor allem erinnerte. Das Gesicht der Contessa wirkte ungerührt. Das ihrer Patentante strahlte, aber es war auch Besorgnis darin zu erkennen. Signor Barzado versuchte mühsam, sein Erstaunen zu verbergen. Ebenso mühsam hielt seine Frau ihre Enttäuschung darüber zurück, dass der drohende Skandal abgewendet worden war. Die Cipriantos dagegen schienen überrascht, aber durchaus erfreut.
Nicht zu vergessen Silvia. Sie saß neben ihrem sichtlich verwirrten Mann, als der Principe Damiano die Verlobung feierlich verkündete. Ihr Mund lächelte, aber ihre Augen funkelten wütend, als Angelo Ellies Hand mit dem kostbaren Saphirring daran an seine Lippen hob.
Ellie lächelte mechanisch, während die unvermeidlichen Toasts und Gratulationen ausgesprochen wurden. Bald tat ihr das Gesicht weh. Stocksteif ertrug sie es, dass Silvia sie auf beide Wangen küsste und Angelo vielsagend zuhauchte: „Herzlichen Glückwunsch, mio caro. Wie ungeheuer klug du doch bist.“
Schließlich war Ellie einfach nur froh, als sich alle zur Mittagsruhe zurückzogen und sie sich in ihr Zimmer flüchten konnte.
Die hölzernen Fensterläden waren gegen die Nachmittagshitze geschlossen. Die Tür hatte sie selber abgeschlossen – eine vielleicht unnötige, aber automatische Vorsichtsmaßnahme. Denn Ellie zitterte innerlich immer noch bei der Erinnerung daran, wie Angelo sie zart auf den Mund geküsst hatte. Er hatte sie die Treppe hinaufbegleitet und ihr dabei zugeflüstert: „Bald werden wir die Mittagsstunde miteinander teilen, mia carissima .“
Diese Bemerkung war für mögliche Zuhörer gedacht gewesen, das war Ellie klar. Dennoch änderte das nichts an ihrer Reaktion, die sie ziemlich beunruhigend fand.
Ruhelos drehte sie sich im Bett herum und versuchte, sich zu entspannen. Allmählich begann sie zu ahnen, dass die bevorstehenden Tage und Wochen die schwierigsten ihres Lebens werden würden.
Ihr dringlichstes Problem war zunächst einmal, dass sie in den römischen Palazzo der Damianos umziehen sollte. Der Grund für diesen Vorschlag – oder vielmehr diese Anordnung – war, dass sie von dort die Hochzeit vorbereiten sollte. Und außerdem sollten dadurch weitere erotische Versuchungen bis zur Hochzeitsnacht verhindert werden.
Es war fast schon komisch, auch wenn ihr gar nicht nach Lachen zumute war. Ellie konnte nur auf die Hilfe der Principessa hoffen. Vielleicht konnte ihre Patentante ihre Überredungskünste einsetzen und ihren sittenstrengen Gatten davon überzeugen, dass solche Vorsichtsmaßnahmen völlig unnötig wären.
Ich will bloß mein Leben zurück, dachte Ellie verzweifelt. Mein kleines Apartment, meine Arbeit, meine Freunde. Und vor allem dachte sie an die Casa Bianca, ihr kleines Haus am Meer. Seufzend bedauerte sie, dass sie mitgekommen war. Hätte sie sich nicht erweichen lassen, wäre ihre der ganze Albtraum erspart geblieben.
Für das formelle Dinner an diesem Abend schlüpfte Ellie in die neue Robe, die sie für einen solchen Anlass eingepackt hatte. Das knöchellange Kleid war aus einem dunkelblauen, seidigen Material gemacht. Es hatte Flügelärmel und ein vorne überkreuz drapiertes Oberteil. Ein schmales Band mit blauen und goldfarbenen Seidenblumen darauf betonte ihre zierliche Taille. Vor dem Spiegel stellte sie irritiert fest, dass die Farbe genau zu dem Saphirring des Conte passte … Als wäre alles im Voraus so geplant gewesen, dachte sie entsetzt.
Consolatas Concealer wirkte erneut Wunder. Das frisch gewaschene und geföhnte Haar umrahmte Ellies Gesicht in weichen, schimmernden Wellen. Ihr war nicht anzusehen, welches Durcheinander in ihrem Innern tobte. Schließlich ging sie hinunter in den salotto.
Giovanni erwartete sie am Fuß der Treppe, um ihr die Tür zu öffnen. Ellie atmete tief ein und nahm all ihren Mut zusammen. Sie hatte das Gefühl, sie würde eine Bühne betreten – allerdings ohne das Stück zu kennen oder auch nur irgendeine Zeile ihres Textes. Bei ihrem Eintreten verstummten alle Anwesenden für einen Moment. Beinahe hätte Ellie auf dem Absatz kehrtgemacht.
Ein rascher Blick in die Runde beruhigte
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