Verfuehre niemals einen Highlander
gewöhnlich unruhig. Man musste sie im Auge behalten, gut einschätzen können und möglichst viel Distanz aufbauen. Gestattete man ihnen zu viel Nähe, fanden sie immer eine Möglichkeit, einem Mädchen wehzutun.
Diese Lektion hatte Ian ihr erteilt, als sie noch eine leicht zu beeindruckende Schülerin war. Wie konnte sie das nun vergessen?
Oder war dieses Schulmädchen etwa zurückgekommen, um ihren Verstand und ihren Körper zu beherrschen, indem es die Erinnerung an jene törichten Sehnsüchte in ihr wachrief?
Bestimmt nicht. Sie wusste, was das hier war, was es immer gewesen war: verbotenes Verlangen. Eine zierliche Frau weckte in einem Mann immer den Drang, sie zu beschützen. Und damit behielt sie die Oberhand – solange sie sich nicht in seinen Bann ziehen ließ. Unter diesen Bedingungen war nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich gegenseitig ein wenig Wohlbehagen spendeten. Vorausgesetzt, es ging nicht zu weit.
Eine Dame musste auf ihren Ruf achten, besonders wenn sie auf eine Heirat hoffte.
Warum dann empfand sie in seinen Armen dieses allumfassende Hochgefühl, obwohl sie heute Nacht ihre ganze Zukunft aufs Spiel gesetzt hatte?
Sie hob den Kopf und musterte sein kantiges Kinn mit den rauen Bartstoppeln, ließ ihren Blick über seine scharfgeschnittenen Wangenknochen wandern. Mit jedem Atemzug, der seine breite Brust auf- und abwogen ließ, spürte sie ihr Verlangen wachsen. Dann ein stummer Seufzer, den sie dennoch mit jeder Faser ihres Körpers fühlte.
„Für das, was ich damals am Strand zu dir sagte, habe ich mir bis heute nicht vergeben“, murmelte er dicht an ihrem Ohr. „Kinder sind grausam. Doch ich war alt genug, hätte es besser wissen müssen. In jenen Tagen überwog nur mein Stolz.“
Erstaunt wandte sie ihm den Kopf zu, um seinen Gesichtsausdruck besser sehen zu können und sich zu versichern, dass er sie nicht verspottete.
Tatsächlich lächelte er, doch es war ein schönes Lächeln, jungenhaft, mit einem Hauch Bedauern. Seine Augen glänzten im Licht des Feuers.
In ihrem Leib zog sich etwas zusammen, pochte und löste eine seltsame Empfindung aus, sodass ihre Lider zufielen und ihr Körper ganz weich und nachgiebig wurde. Mühsam öffnete sie die Augen.
Als er ihr ins Gesicht sah, atmete er scharf ein. In seinem Blick loderte eine heiße Flamme auf.
Die Luft knisterte, schien zu glühen, als hätte sie sich dazu verschworen, sie atemlos und sprachlos zu machen. Enger schlang er die Arme um sie und neigte den Kopf, bis seine Lippen die ihren streiften. Sie spürte den zarten Hauch seines Atems an ihrem Mund. Er roch nach Salz und Meer. Ein ganz eigener Duft, der etwas sehr Maskulines hatte, das ihre Sinne überschwemmte.
„Anscheinend ist es uns bestimmt, den jeweils anderen hin und wieder zu retten“, flüsterte sie und lachte atemlos auf. Doch es durfte nie wieder geschehen.
Ohne nachzudenken, schlang sie die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf die Wange, so wie sie es damals, als Mädchen, gemacht hatte. „Ich bin so froh, dass ich dich noch rechtzeitig warnen konnte.“
Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust. „Ich auch.“ Er hob die Hand, umfing ihr Kinn und zog ihren Kopf zu sich herum, damit er ihren Kuss erwidern konnte.
Fester drückte er seine Lippen auf die ihren; sie suchten, kosteten, öffneten sich. Wilde Schauer rannen Selina durch den Körper. Eine lustvolle Wonne ging von dieser innigen Berührung aus. Sie zog scharf die Luft ein.
Himmlische Empfindungen fluteten ihre Adern und ließen ihre Glieder erschlaffen.
Sein Mund war wie für sie geschaffen und seine leicht geöffneten Lippen bewegten sich so harmonisch im Einklang mit den ihren, wie es Selina nie erwartet hätte. Zaghaft erwiderte sie den Kuss, zuerst behutsam und sanft, dann immer leidenschaftlicher.
Von Schwindel erfasst lag sie schwer atmend in seinen Armen. Der Zauber dieses Kusses machte sie schwerelos. War sie gerade noch geschwebt, schien sie nun zu gleiten, zu fliegen, von den Fesseln der Welt gelöst.
Innerlich zitterte sie.
Noch nie, seit sie erwachsen war, hatte sie sich selbst derart verloren. Es war, als verschmelze ein Teil ihrer beiden Persönlichkeiten und würde zu etwas Neuem, Gemeinsamen. Es war erhebend. Und erschreckend.
Diese Angst machte sie unruhig.
Schwer atmend ließ er von ihr ab und schaute sie an. Seine Augen waren dunkel wie die Nacht, heiß und begehrlich. Er biss die Zähne aufeinander.
„Wir dürfen das nicht“, sagte er heiser.
„Nein.“
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