Verfuehre niemals einen Highlander
Wasser gefallen war.
Neben dem Mädchen ging sie flussaufwärts. Von der ungewohnten, schweren Arbeit schmerzte ihr ganzer Körper, sodass sie stärker als sonst humpelte.
„Da.“ Marie Flora zeigte auf einen flachen Stein. „Da sollte er sich hinsetzen und zusammen mit Milly warten.“
„Milly?“
„Grannie hatte ihm eins ihrer Hühnchen geschenkt. Papa hat es erst gemerkt, als wir schon halbwegs hier waren.“
„Und wie seid ihr hergekommen?“
„Wir hatten uns Grannies Karren geliehen. Der ist jetzt in der Scheune. Anschließend wollten wir zu Fuß ins Dorf gehen. Besuche machen.“
Die Scheune lag auf der anderen Seite des Mühlenhofs, doch eine Tür führte zu dieser Seite hinaus, und die stand ein Stückchen offen. „Meinst du, er würde sich vielleicht da drin verstecken?“ Es schien ihr schon unwahrscheinlich, als sie es noch nicht ganz ausgesprochen hatte. Da drin würde alles völlig verraucht sein. Oder doch nicht? Der Wind wehte in die andere Richtung.
„Wenn er sich versteckt hat, wird Papa ihm das Fell gerben“, sagte die Kleine energisch.
Gemeinsam marschierten sie zu der Tür, zwei Frauen, bereit zum Kampf mit einem widerspenstigen kleinen Jungen. Tommy tat Selina jetzt schon leid.
Sie stieß die Tür auf.
„Tommy!“, rief Marie Flora. „Komm bloß raus. Papa wartet!“
Keine Antwort, nur die gedämpften Geräusche der Tiere in ihren Pferchen.
Mit von Tränen erstickter Stimme und voller Angst rief sie noch einmal.
„Tommy, komm jetzt her“, sagte Selina möglichst ruhig, „dann sagen wir auch nichts deinem Vater.“ Sie ging weiter in den Raum hinein, da sich ihre Augen langsam an das gedämpfte Licht gewöhnten. Sie sah den Karren und den Esel. Und da stand das Pony, das Ian an den Karren gespannt hatte, als er sie nach ihrem Sturz vom Pferd heimgefahren hatte.
Etwas lief raschelnd über den Boden. Eine Ratte? Ein protestierendes Gackern ertönte.
„Milly!“, sagte Marie Flora und rannte, um das Huhn einzufangen. „Tommy!“, rief sie dann erneut und fügte etwas auf Gälisch hinzu, doch ihr ärgerlicher Tonfall machte eine Übersetzung nicht nötig. Zweifellos ging es erneut ums Fellgerben.
In den düsteren Hintergrund der Scheune spähend erwartete Selina jeden Moment, den Jungen verschmitzt grinsend aus einer Ecke kriechen zu sehen.
Das Hühnchen an die Brust gedrückt drehte Marie Flora sich um. „Tommy!“ Sie klang nun wirklich wütend.
Strohhalme rieselten von irgendwo oben herunter und landeten auf ihrem Kopf und ihren Schultern und auch auf Selinas Gesicht, als sie den Blick hob. Da oben war ein Heuboden! An einer Öffnung in der Decke lehnte eine Leiter. Selina legte einen Finger auf ihre Lippen und zeigte erst dort hinauf, dann auf eine Leiter. Verstehen dämmerte im Blick des Mädchens. Es schürzte die Lippen und schaute ziemlich düster. Oh je, Tommy kriegte wirklich Ärger.
„Ich glaube, er ist nicht hier. Suchen wir anderswo“, sagte Selina laut.
„Wenn Papa ihn erwischt, kann er was erleben!“ Marie Flora hatte sofort verstanden, worum es ging. Sie schob das Huhn in ihre große Schürzentasche, dann stapfte sie neben Selina mit lauten Schritten zum Tor, als wollten sie nun gehen, schlichen jedoch zurück zu der Leiter. Marie Flora huschte als erste hinauf. Selina, behindert durch ihre langen Röcke, folgte langsamer. Als sie den Kopf durch die Luke steckte, verharrte sie entsetzt.
Beide Kinder starrten sie mit vor Angst weit aufgerissenen Augen an. Im Licht, das durch das Dachfenster fiel, blitzte ein Messer. Aufkeuchend griff Selina nach dem Rand des Heubodens.
Der Mann, der mit dem einen Arm die beiden Kinder an sich presste und das Messer in seiner anderen Hand an Marie Floras Kehle drückte, lächelte.
„Nun habe ich das Glück also doch auf meiner Seite! Kommen Sie nur herauf, Lady Selina“, sagte Tearny.
Ian betrachtete das Durcheinander. Das Feuer hatte gründliche Arbeit geleistet. Aber wer um alles in der Welt, der von der Brennerei wusste, hatte ein Interesse daran, sie zu zerstören? Selbst wenn der erfolgreiche Betrieb nicht Reichtum für den Clan bedeutete, würde kein Highlander, der seine Sinne beisammen hatte, guten Whisky verbrennen wollen.
Dass sie heimlich herkommen würden, um zu trinken, konnte er sich vorstellen, aber nicht das hier. Prüfend schaute er sich im Hof um. Alle hier waren von Kopf bis Fuß mit Ruß bedeckt und schufteten immer noch, um das Durcheinander und den Schmutz zu beseitigen.
Niall
Weitere Kostenlose Bücher